Die Havarie – Teil 1: Der grosse Pflege-Schwindel

Rvongher / Wikimedia Commons

Eine Seefahrt, die ist lustig. Eine Seefahrt, die ist schön. Manchmal jedoch ist so eine Lustreise auch ziemlich abrupt zu Ende. Eben spielte noch das Bordorchester und einen Augenblick später neigt sich der Dampfer schon in eine gefährliche Schräglage. Alles kommt ins Rutschen, selbst das Büffet und der Tischkicker. Die Brünette an der Bar kann sich gerade noch am Tresen festhalten und schaut einen auf einmal mit weit aufgerissenen Augen erschrocken an. “Die Havarie” ist die neue Serie der reformpflege, welche den geneigten Leser mit auf eine Reise nimmt. Unser Schiff ist die MS Deutschland, ein mittlerweile in die Jahre gekommener und nicht nur deshalb sehr schwerfälliger Kahn. Die Besatzung besteht zu einem nicht zu unterschätzenden Teil aus sendungsbewussten Spinnern, unbelehrbaren Hysterikern und gewissenlosen Karrieristen. Keine Ahnung, was schlimmer ist. Die Offiziere scheinen ihre Patente grösstenteils an der Marine-Akademie von Andorra erworben zu haben und die Kapitänin… ja, die Kapitänin. Die Reise wird durch aufgepeitschte Wasser, nichtendenwollende Flauten und über gefährliche Untiefen führen. Und immer wieder unterwegs wird man sich die bange Frage stellen müssen, wie es um die Möglichkeit einer noch halbwegs glücklichen Ankunft bestellt ist. Und wo genau diese wohl sein wird? Beginnen wir also die Reise in heimischen Gefilden, den lieblichen Gewässern der Pflege…

Also eigentlich, gaaanz ehrlich wollt der Chef hier ne zeitlang ma nix schreiben, weil er sich nämlich gedacht hat, dasser letztens n echt langen Text abgeliefert hat, der erstma für ne gewisse Zeit reichen sollte, weiller er ja derzeit am Basteln is für seine Moped-Webseite, die er ja schon seit Jahren versprochen hat und mit der er tatsächlich in der letzten Zeit auch ganz ordentlich vorangekommen is, weiller nämlich ne ordentliche Anzahl an Mopedleichen wieder zum Leben erweckt hat, umse sodann höchstselbst zu fotografieren und die Fotos auf seiner Moped-Webseite zu posten. Und eben weiler hier ja schon öfters versprochen hat, jetzt ma endlich in die Puschen zu kommen mit der Webseite, hatter sich geschworen, sich durch nix, aber auch gar nix ablenken zu lassen und gaaaanz konsegwent das nur eine Ziel zu verfolgen, also wenner in seiner Doppelfunktion als Pflegeheimfuzzi ma gerade nicht von den lieben Pflegenden, Therapierenden, Betreuenden, Kochenden un so weiter, die ihm ja so innig ans Herzen gewachsen sind – gell, Chef?

Oh Mann…

…gerade ma nich an den Rande des Nervenzusammenbruchs getrieben wird. Also hatter nicht nur fotografiert und gepostet, sondern auch noch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, nen Instagram-Dings aufzumachen und ansonsten nen ziemlich verschwurbelten Text angefangen zu schreiben über… über… junge Frauen mit Cowboyhüten auf und äh… den Kollaps der britischen Motorradindustrie und was das alles mit Sam Peckinpah zu tun hat… ähh… Chef? Sonst gehts Dir aber noch gut, häh?

Oh Mann…

Also war der Chef gaaaanz auf das grosse Ziel foku… foku… fokuziert und hat sich, ausser manchma von den lieben Pflegenden, Therapierenden, Betreuenden, Kochenden un so weiter, die ihm ja so innig ans Herz gewachsen sind,..

Oh Mann…

…durch nix aus der Ruhe bringen lassen, noch nicht ma durch eine hysterische Regierungsfrauschaft, die sich von zwei Zöpfen, hüpfenden Upperclass-Kids, Wissenschaftsaktivisten und ngo-gesteuerten Youtube-Frizzies durch die johlende Presselandschaft treiben liess, weil der Chef das ja so oder so ähnlich schon in seinem letzten Text, der ja gewissermassen ne Zeitllang halten sollte, ziemlich ausführlich beschrieben hatte. Also bastelte der Chef fokuziert an seiner Moped-Webseite, grinste sich eins, und freute sich, dasser so gut voran kam, knipste wieder n paar Bildchen von seinen Mopeds und schrieb weiter an seim verschwurbelten Text, biss dann… tja… biss dann ma wieder… … der Plasberg! Wer denn sonst? Wobei der Chef gar nicht dem seine Sendung angeschaltet hat, das macht der schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, der guckt überhaupt keinen Staatsrundfunk, nee, gar nicht mehr. Leider gibbs aber n paar bemitleidenswerte Typen, die werden von den Internetseiten, also Welt, Spiegel, FAZ und so weiter zwangsverpflichtet, sämtliche Talkshows anzuschauen und seien die noch so hirnrissig, um dann darüber ne Zusammenfassung zu schreiben, die se dann am nächsten Morgen, als genau dann – wenn sich der Chef seine erste Tasse Kaffee genehmigt und in sein Toastbrot beisst und gleichzeitig son bisschen die Nachrichten im Internet checkt – in eben dem Internet veröffentlichen. Tja… und da hat der Plasberg den Chef sozusagen zeitversetzt und über Bande erwischt, weil der dann nämlich so einen Schwachsinn über das Thema der letzten Plasberg-Sendung, die Pflege, lesen musste, dass ihm fast sein Toastbrot im Hals stecken geblieben is. Also hatter den Plasberg Kram noch mal im Internet angeguckt und sah dort die Bunsefamilienminsterin rumsitzen… weiss gar nicht, wie die heisst, also die… äh… die mit der Doktorarbeit, die immer so raumschiffenterpriseuniformmässig gekleidet is und deshalb mit ihrer Hochsteckfrisur immer son bisschen aussieht wie die preussische Ausgabe von Lieutenant Uhura. Und mitgebracht hatte die Lieutenant aus ihrm Paralleluniversum noch zwei andere Politik-Borgs von den Planeten CDU und SPD. Und alle drei zusammen erläuterten dann dem Chef mit fernuniversitär erworbener interstellarer Politologenkompetenz, sozusagen aus den gaaanz tiefsten Tiefen des Apparats, wie sie sich so die Rettung der Pflege vorstellen. Tja, und normalerweise kann der Chef ja nur gähnen, wenn man ihm ma wieder mim Pflegenotstand und der Rettung der Pflege oder son Kram kommt, aber je länger er diesen drei zuhören musste, desto tiefer klappte jetzt seine Kinnlade runter und desto zahlreicher wurden die kleinen Schweissperlen auf seiner Stirn, denn was diese drei in strahlender Ahnungslosigkeit als ihren Rettungsplan präsentierten, wäre, so meints jedenfalls der Chef, in der Endkonsegwenz eigentlich nix anderes als die Likwi… äh… die Liqwi… die Hinrichtung der Freien Pflege, also der Einrichtungen, die wie wir keinem “frei-gemeinnützigen“ Sozialkonzern oder privaten Pflegeheimketten oder so angeschlossen, die also vollkommen unabhängig sind. Denn was die sich ausgeknobelt hatten oder vielmehr vorgaben ausgeknobelt zu haben, sah unter anderem einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag vor, den ein noch zu gründender Arbeitgeberverband der Pflege, dem der Chef dann irgendwie zwangsangeschlossen wäre, mit der Gewerkschaft Verdi verhandeln müsste, was dann zur Folge hätte, dass der Chef die sodann ausgehandelten Löhne übernehmen und zahlen müsste, ob er wolle oder nicht. Und das fand der Chef natürlich nicht so witzig. So wie ers dann auch nicht witzig fand, immer wieder hören zu müssen, dass die Pflegefachkräfte viel zu wenig Kohle verdienen würden, was dann noch getoppt wurde durch eine in die Labershow geladene Altenpflege-Azubine, die kundtat, dass sie im dritten Lehrjahr lediglich 680 Euro verdient. Tja, Chef, du oller menschenschindender Pflegeheimabzocker, kannste ma sehen, was für n Arschloch du bist!

Ja und genau das ist der Punkt!

Dass du n menschenschindendes Arschloch bist?

Nee, dass in der Labershow eine Azubine sass, die lediglich mickrige 680 Euro brutto im dritten Lehrjahr verdient.

Wie meinste das?

Es hätte ja auch ein Azubi von uns da sitzen können, denn die verdienen ab dem ersten Lehrjahr 1.400 Euro brutto. Und das ist nur die Grundvergütung, dazu kommen noch die Zeitzuschläge, 50% Sonntagszuschlag und 125% Feiertagszuschlag, damit  bleibt davon auch mehr netto, weil die Zuschläge steuer- und sozialabgabenfrei sind. Es sass aber eine Azubine da, die verdient nur 680 Euro und jammerte auch noch über die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrem Pflegeheim. Das ist doch seltsam, was dann auch der Caritas aufgefallen ist, die einen Tag später gleich eine Pressemitteilung herausbrachte, die „Komm zu uns!” titelte und der Plasberg-Azubine vorrechnete, dass sie bei der Caritas im dritten Lehrjahr immerhin 1.303,38 Euro verdienen und nach Abschluss ihrer Ausbildung mit ca. 2.800 Euro monatlich in das Berufsleben einsteigen könnte, um nach zwei weiteren Jahren dann 2.972,44 Euro zu verdienen. Bei uns im Haus Tanneck beginnt man das Berufsleben als examinierte und anerkannte Pflegefachkraft mittlerweile gleich nach der Ausbildung mit 2.950 Euro zuzüglich Zeitzuschläge, womit Berufsneulinge immer und gut über 3000 Euro monatlich kommen. Wir können zwar nur Altenpflegerinnen ausbilden, beschäftigen aber auch Krankenschwestern und -pfleger, diese beiden pflegerischen Berufsgruppen erhalten bei uns die gleiche Vergütung. Es gehört aber beinahe schon zur Folklore in diesem Land, dass in den Medien gerne das Bild der „ausgebeuteten Pflegefachkraft“ herumgereicht wird. Da kursieren dann die abenteuerlichsten Zahlen, die sich aus irgendwelchen Studien oder dubiosen Statistiken speisen sollen, dabei gibt es eine offen zugängliche und vertrauenswürdige Quelle im Internet, die über die Entgelte der unterschiedlichen Berufsgruppen offen informiert: den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit. Danach verdienen in Deutschland Altenpflegerinnen und Altenpfleger ein Mittleres Entgelt von 2.877 und Krankenschwestern ein Mittleres Entgelt von 3.415 Euro. Hierbei handelt es sich um den Median, der das Mittlere Entgelt beschreibt, und nicht um den Durchschnitt, das wird gerne verwechselt, wie auch geschehen in der besagten Plasberg-Sendung. Mittleres Entgelt bedeutet, dass 2.877 Euro die Mitte der Entgeltverteilung in der Altenpflege ist. Der Median besagt genau, dass 50% der deutschen Altenpflegerinnen und Altenpfleger weniger als 2.877 Euro verdienen und demzufolge die anderen 50% mehr als 2.877 Euro verdienen. Das liegt auch daran, dass es immer noch starke Lohnunterschiede zwischen Ost und West gibt. Am schlechtesten verdienen Altenpflegerinnen in Sachsen-Anhalt mit einem Mittleren Entgelt von nur 2.329 Euro und die Krankenschwestern mit 3.100 Euro. Allerdings sind in Sachsen-Anhalt die Mieten und generellen Lebenshaltungskosten als auch die Kosten für ein Pflegeheim bedeutend niedriger als beispielsweise in Baden-Württemberg, wo Altenpflegerinnen ein Mittleres Entgelt von 3.169 Euro und Krankenschwestern von 3.567 Euro verdienen. In Baden-Württemberg werden die höchsten Löhne in Deutschland gezahlt. Um die Höhe dieses Entgeltes richtig einschätzen zu können, muss man sie jedoch mit den Entgelten anderer Ausbildungsberufe, die typischerweise – Achtung Genderfalle! – überwiegend von Frauen ergriffen werden, die zudem in Baden-Württemberg wohnen und somit den gleichen Lebenshaltungskosten ausgesetzt sind, vergleichen:

Mittlere Entgelte in Baden-Württemberg 2018 (Abgerufen entgeltatlas.arbeitsagentur.de am 02.08.2019) für:

Altenpfleger/in: 3.169 Euro

Krankenpfleger/Krankenschwester: 3.567 Euro

Arzthelfer/in: 2.445 Euro

Physiotherapeut/in: 2.522 Euro

Ergotherapeut/in: 2.749 Euro

Erzieher/in: 3.382 Euro

Bürokauffrau: 3.393 Euro

Einzelhandelskauffrau: 2.598 Euro

Medizinisch Technische Laboratoriumsassistent/in: 3.498 Euro

Und weil sich in der Plasberg-Sendung eine Friseurmeisterin empörte, dass Pflegefachkräfte viel zu wenig verdienen, hier das Mittlere Entgelt für ihre Angestellten:

Friseure in Baden-Württemberg: 1.672 Euro (Zumindest offiziell…)

Diese Zahlen offenbaren eigentlich keine Unterbezahlung oder gar Ausbeutung von Pflegefachkräften in Baden-Württemberg, ganz im Gegenteil: Keine der betrachteten Berufsgruppen erhält ein höheres Mittleres Entgelt als die der Krankenschwestern. Was die Zahlen allerdings zeigen, ist die immer noch bestehende Diskriminierung der Altenpflege im Verhältnis zu ihrer Schwester der Krankenpflege. Allerdings wird diese Unterscheidung durch die neue generalisierte Pflegeausbildung, die nicht mehr oder nur noch gering zwischen Alten- und Krankenpflege differenzieren wird, zunehmend aufgehoben werden, sodass zu erwarten ist, dass sich auch die Bezahlungen der noch nach dem alten System ausgebildeten Berufsgruppen angleichen werden. Dennoch liefert die Vergütung von 3.169 Euro als Mittleres Entgelt im Vergleich zu den anderen Berufen keinerlei Indiz für Ausbeutung in der baden-württembergischen Altenpflege. Und das sind immerhin amtliche Zahlen.

06/19 Lohnzettel einer Altenpflegerin im Haus Tanneck in ihrem ersten Berufsjahr

Dass sich die Löhne für Pflegefachkräfte gerade in den letzten Jahren erhöht haben, hat natürlich auch damit zu tun, dass mittlerweile auch den letzten Angehörigen des Pflegeberufsstandes durch jahrzehntelange und zuweilen panische „Pflegenotstands-Dauerberichterstattung“ aufgegangen ist, dass sie erstens Angehörige eines Berufsstandes sind, der sehr sehr rar und enorm gesucht ist, und es zweitens so etwas wie einen Arbeitsmarkt gibt und zwar mit  Betonung auf Markt. Das heisst, dass die Hoffnungen von Pflegeheimbetreibern, irgendwo noch jemanden aufzutreiben, die oder der für ein paar Erdnüsse oder trockene Brotkrumen Dienst auf Station schiebt, ziemlich illusorisch sind.

06/19 Lohnzettel einer Pflegefachkraft mit mehr Berufserfahrung im Nachtdienst des Haus Tanneck, der zeigt, dass auch ein Netto von 3000+ Euro in Reichweite ist. Freilich in einem sehr arbeitgeberunfreundlichen Monat mit fünf Wochenenden und zwei Feiertagen

Pflegefachkräfte kennen ihren Preis und wer heutzutage nicht bereit ist, für Pflegefachkräfte tiefer in die Taschen zu greifen, bekommt seine Schichten schlichtweg nicht mehr besetzt. Es mag sicher noch bestimmte Spezialisteneinrichtungen geben, in denen Trägerschaft und Personalaltbestand so etwas wie eine sehr spezielle Komplizenschaft eingegangen sind, um Qualitätsstandards zu unterlaufen und Profite zu optimieren. Aber genau für solche Einrichtungen gibt es eigentlich die Prüf- und Kontrollinstrumente des MDK und der staatlichen Heimaufsicht, die auf ein breites Arsenal an Möglichkeiten, darunter auch auf Polizeirecht fussende Massnahmen, zurückgreifen können, um diesen Spezialisten das Leben so schwer wie nur möglich zu machen – bis hin zur Schliessung der Einrichtung. Aber auch hier gilt: man oder frau muss nicht für Dumpinglöhne und unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten, denn sie verfügen über einen krassen Mangelberuf, sie können es sich eigentlich aussuchen, wo und unter welchen Bedingungen und für welchen Lohn sie arbeiten wollen. Und das gleiche gilt auch für Pflegeschüler, zumal im dritten Lehrjahr. Die allermeisten Pflegeheimbetreiber würden fortgeschrittene Pflegeschüler mit Kusshand nehmen, warum also sich für ein paar Kröten unter unmöglichen Bedingungen abmühen, wenn das Caritasheim oder das Freie Pflegeheim gegenüber mehr als doppelt so viel zahlt und bessere Arbeitsbedingungen bereithält? Und das war nicht das einzig ziemlich Seltsame in dieser Talkrunde, denn auf einmal erinnerte Plasberg die junge Azubine, die auch noch zugab, von allen Schülern in ihrer Klasse die mieseste Vergütung zu erhalten, daran, dass sie doch im Betriebsrat sei, was diese auch bejahte. Und da denkt man sich dann, hoppla: Betriebsrat und nur 680 Kröten?! Könnte es vielleicht sein, dass die junge Frau auch mittlerweile Mitglied der Gewerkschaft Verdi geworden ist, die es dann irgendwie geschafft hat, ihr Mitglied, das eine mehr als nur ungeschickte Wahl ihres Ausbildungsbetriebs getroffen hat, auf die Couch bei Plasberg zu pilotieren? Und das ist vielleicht gar nicht mal so unwahrscheinlich, da weite Teile des real existierenden Journalismus den Gewerkschaften gegenüber sehr aufgeschlossen sind und Verdi wiederum ein sehr grosses Interesse daran hat, in der Pflegebranche, von der einer der Polit-Borgs vom Planeten der SPD wissen liess, dass sie nur zu 20% gewerkschaftlich organisiert ist, Fuss zu fassen. Ein Ansinnen einer Gewerkschaft, die immer mehr unter Druck gerät, da Verdi, 2001 als Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften gegründet, inzwischen selbst zum Pflegefall zu werden droht, weil man von starker Schwindsucht betroffen ist. 2001 noch 2,81 Millionen Mitglieder stark, hat man inzwischen fast ein Drittel der beitragszahlenden Mitglieder verloren, die verbliebenen altern stark, da wäre so eine Frischzellenkur am boomenden Pflegearbeitsmarkt nicht nur gerade recht, sondern vielleicht sogar existenziell notwendig, weil sich alle anderen Massnahmen, den Mitgliederschwund zu stoppen bisher als Rohrkrepierer erwiesen haben. Und da verwundert es dann nicht, nachdem man die zwei Begriffe „Verdi“ und „Pflegenotstand“ bei einer Internetsuchmaschine eingegeben hat, um sodann auf „News“ zu klicken, eine Unmenge an Treffern zu erhalten. Verdi hat das Internet und damit die Medienlandschaft förmlich mit Katastrophenmeldungen über die Pflege überschwemmt. Kampagnenfähig ist die Gewerkschaft immer noch, Öffentlichkeitsarbeit kann sie exzellent, sie weiss, welche Knöpfe gedrückt werden müssen, um Aufmerksamkeit in den Medien zu erzeugen. Deshalb streiken im Vorfeld der nächsten Tarifrunde im Öffentlichen Dienst natürlich nicht der Verwaltungsdienst, denn das würde ja vermutlich kein Schwein merken, sondern die Erzieherinnen der Kindergärten und Kindertagesstätten, denn so werden die lieben Kleinen und deren gestressten Eltern neben den Rathauschefs publicityträchtig mit in Geiselhaft genommen, oder schlägt die Gewerkschaft mit einer Stundenlohnforderung von 20 Euro für das Security-Personal an den Sicherheitsschleusen der Flughäfen in den Medien auf, was dann eine medienwirksame Debatte darüber auslöst, ob die Arbeit von lediglich angelernten Hilfskräften so viel Geld wert sein kann oder darf. Verdi präsentiert sich gerne als Kämpfer für die Rechte der Unterdrückten und Unterbezahlten, aber seltsamerweise siegt man sich mit dieser Masche langsam zu Tode, denn weder der mit viel Geld gepamperte Öffentliche Verwaltungsdienst, noch die Erzieher oder die Security-Mitarbeiter danken der Gewerkschaft ihre Arbeit durch steigende Mitgliederzahlen. Und deshalb jagt man jetzt schon seit Jahren und Jahrzehnten die immer gleiche Sau durchs mediale Dorf und trommelt die Gewerkschaft mit Pressemitteilungen, aber auch mit Studien von gewerkschaftsnahen Instituten und Stiftungen, die alle natürlich zweifelsfrei belegen sollen, wie unglaublich fürchterlich, menschenverachtend und ausbeuterisch es in der Pflegebranche zugeht. Botschaften, die in der Presselandschaft begierig aufgenommen werden und verfangen, denn natürlich sind die Gewerkschaften die Guten und natürlich ist es unglaublich frevelhaft, mit der Finanzierung und Organisation pflegerischer Dienstleistungen auch noch Geld zu verdienen. Es ist die altbekannte Nummer: bevor der strahlende Weisse Ritter in den Kampf reitet, muss der zu besiegende Drache als das schlechthin Böse identifiziert und markiert worden sein, was sich durch jahrelange Pressearbeit mittlerweile erstaunlich hartnäckig in den Hirnen nicht nur der Pressefuzzis, sondern in der gesamten Öffentlichkeit festgefressen hat. Nur blöderweise interessierte das ausgerechnet in der Pflege nicht die Bohne, der Grad der gewerkschaftlichen Organisiertheit in der Pflegebranche blieb vergleichsweise gering, was seinen Grund neben dem immer schon erstaunlichen Beharrungsvermögen und Langmut der zweitältesten Branche der Welt vielleicht auch darin haben könnte, dass die von Verdi beschriebenen fürchterlichen Zustande eben nicht die Regel und somit schon gar nicht systemimmanent sind. Ja, es gibt schlecht geführte Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste, die weniger an der Qualität ihrer Dienstleistungen als vielmehr an der Profitmaximierung interessiert sind und natürlich leidet die Branche unter einem eklatanten Fachkräftemangel. Aber all das gibt es in anderen Branchen auch, schlecht geführte Restaurants, Hotels oder Handwerksbetriebe beispielsweise, die ja mittlerweile auch unter einem Fachkräftemangel leiden, dennoch käme niemand auf die Idee, die einzige Rettung für die gesamte deutsche Gastronomie oder das Handwerk bestünde darin, einen flächendeckenden Zwangs-Tarifvertrag unter Kuratel einer Gewerkschaft einzuführen. Denn was würde das an den tatsächlichen Ursachen, dem Fachkräftemangel, der Profitgier oder dem Unvermögen einzelner Gastronomen oder Handwerksmeister ändern können? Vermutlich sehr wenig und es hätte ausserdem zur Folge, dass ahnungslose Kunden die gleichen miesen Qualitäten zu immer höheren Preisen einkaufen müssten, denn wäre Verdi erst einmal im Boot, dürfte man sich ähnlich wie im Öffentlichen Dienst auf regelmässige und saftige Lohnforderungen von 6% und mehr seitens der Gewerkschaft einstellen. Und da steht dann auf einmal die Frage der Finanzierbarkeit im Raum, denn anders als bei der Öffentlichen Hand, welche die saftigen Lohnsteigerungen des Öffentlichen Dienstes und der Kindergärtnerinnen der letzten Jahre unter stetig steigenden Schmerzen immer durch Steuergelder ausgeglichen hat, müssten die Pflegeheime ihre Bewohner und Angehörige zur Kasse bitten, sollten die Sozialhilfe nicht einspringen müssen, denn die Pflegeversicherungen zahlt pro Pflegegrad nur einen bestimmten Anteil, alles darüber hinaus, der sogenannte Eigenanteil, würde demnach privat in Rechnung gestellt werden. Wir selbst haben in den letzten Jahren unsere Preise sukzessiv anpassen müssen, um uns in die Lage zu versetzen, mit anderen Einrichtungen um Fachkräfte auch über den Lohn konkurrieren zu können. Diese Kostensteigerungen wurden durch unsere Bewohner und deren Angehörige mitgetragen, wenn auch sicherlich nicht mit grosser Begeisterung. Allerdings hat die Bereitschaft unserer Kunden, die Preiserhöhungen zu tragen, letztendlich natürlich auch irgendwo ihre finalen Grenzen – wo genau? – das testen derzeit vor allen die evangelischen Träger der Pflegeheime, Diakonie und Evangelische Heimstiftung, in Baden-Württemberg aus, die in den letzten Wochen und Monaten die Preise kräftig erhöht haben. So zahlt man im Ländle derzeit einen Eigenanteil zwischen 2.600 und 3.200 Euro pro Monat für einen Heimplatz im Sozialkonzern der evangelischen Kirche, die, obwohl ja eigentlich auch irgendwie der barmherzigen Nächstenliebe verpflichtet und dennoch ohnehin nie günstig, jetzt nochmal eine kräftige Schippe draufgelegt hat. Und da fragt man sich so als Freier Pflegeheimfuzzi, der ja vergleichbare Löhne zahlt, genauso viel Personal vorhält und zudem von dem erwirtschafteten Gewinn leben muss, worin sich denn diese Erhöhung der Eigenanteile der kirchlichen und sogenannten “frei-gemeinnützigen” Pflegeeinrichtungen, die ja jetzt immerhin so zwischen 800 und 1.400 Euro pro Monat über dem unseren liegen, begründet? Und würde man Bernhard Schneider, den Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, fragen, dann würde er sehr wahrscheinlich antworten, die Höhe des Eigenanteils seiner Truppe begründe sich darin, dass sie nun einmal die Besten sind. Und ganz abgesehen davon, dass er diese Meinung ziemlich exklusiv hat, steht zu vermuten, dass der eigentliche Grund für die letzten etwas unchristlichen Preiserhöhungen dem Tarifbegehr der Gewerkschaft nicht gänzlich unverwandt sind und die Kirche somit der gleiche Hafer sticht wie Verdi, denn massive Kirchenaustritte in den letzten Jahren lassen die Kirchensteuer trotz guter Konjunktur etwas unerquicklicher sprudeln. Gehörten nach dem Krieg noch ca. 95% der Deutschen einer der beiden Amtskirchen (Protestantische und katholische Kirche) an, begann in den 1970er Jahren die Erosion der Mitgliederzahlen, die sich durch den Beitritt einer grösstenteils entchristianisierten DDR noch beschleunigte, sodass 1990 beide Kirchen nur noch insgesamt 72,3% der Deutschen zu ihren Mitgliedern zählten. Dieser Niedergang liess sich nicht aufhalten, 2018 waren nur noch 27,7% der Bundesbürger Mitglieder der römisch-katholischen und 25,5% Mitglieder der evangelischen Kirche. Und die Aussichten sind alles andere als rosig, laut einer von den beiden Kirchen mitbeauftragten Studie wird die Zahl der verbliebenen Kirchenmitglieder bis 2060 nochmals um 49% sinken. Und das hat natürlich Auswirkungen auf die Kirchensteuereinnahmen, bereits 2035 wird der reale Kaufkraftverlust der Kirchensteuereinnahmen nach dieser Studie nochmal -26% betragen, weshalb man offensichtlich nicht nur prophylaktisch schon jetzt dazu übergegangen ist, die Einnahmesituation an anderer Stelle etwas – naja – zu optimieren. Die Gelegenheit schien auch mehr als günstig, denn durch das segensreiche Wirken der baden-württembergischen Landesregierung, die die Landesheimbauverordnung unerbittlich umsetzt und die Heimbetreiber deshalb zwingt, Doppelbettplätze abzubauen und auch sonst teuer und pflegeplatzvernichtend umzubauen, sind Pflegeheimplätze sehr sehr rar geworden im Land, was eine gewisse Not auslöste, die man wohl dachte, weidlich ausnutzen zu können. Aber wie das manchmal so ist, wenn der Bock die Rechnung ohne den Gärtner macht, hat man die Leidensbereitschaft der Kunden wohl ein wenig zu gross eingeschätzt, denn obwohl einzelne Landkreise wie Böblingen einen Mangel von mehreren hundert Pflegeplätzen vermelden, sind die Heime der Evangelischen Heimstiftung nicht überall ausgelastet. Dies verlautbart zumindest der inoffizielle „Branchenfunk“ und ist auch den Heimplatzanfragen von Angehörigen zu entnehmen, die Plätze bei der evangelischen Konkurrenz reserviert haben und dafür eine fürstliche Reservierungsgebühr von bis zu 90 Euro pro Tag abdrücken müssen, während sie zunehmend panischer die preisgünstigeren Pflegeeinrichtungen der Umgebung abtelefonieren, eine Tatsache also, die ihren Niederschlag auch auf der Webseite der Evangelischen Heimstiftung gefunden hat. Offenbar ist die diakonische Konkurrenz bei der Austestung der Schmerzgrenzen ihrer vermeintlich zukünftigen Kundschaft ausserordentlich erfolgreich gewesen, so erfolgreich, dass trotz historisch hohem und dringendem Pflegeplatzbedarf derzeit bei den selbsternannten „Besten” nicht wenige freie Plätze zu beklagen sind, weil der zu zahlende private Eigenanteil einfach viel zu hoch ist.

Webseite der Evangelischen Heimstiftung. Abruf Mitte Juni 2019

Und da ist es natürlich von Vorteil, wenn man Plan B in der Schublade hat, der eigentlich Plan A sein sollte, jetzt aber zu Plan B werden musste, als man mit zu hohen Preisen voreilig vorpreschte, um schnell den eingetretenen Pflegeheimplatz-Notstand auszunutzen, ohne vorher Plan A in Kraft gesetzt zu haben, weshalb Plan A jetzt hektisch als umfirmierter Plan B nachgezogen werden muss, um sich aufgrund nicht belegter, weil zu teurer Heimplätze nicht noch mehr Kröten durch die Lappen gehen zu lassen.

Kein Einzelfall. Webseite der Evangelischen Heimstiftung. Abruf Mitte Juni 2019. Mittlerweile stellt man etwas günstigere Preise ins Schaufenster, wahrscheinlich den Kostensatz für die Sozialhilfeempfänger und nicht mehr den für die Privatzahler. Geändert hat das an der Belegung jedenfalls nichts

Plan A oder Plan B oder Plan wieauchimmer ist die Initiative „Pro Pflegereform“ von überwiegend kirchlichen und so genannten frei-gemeinnützigen Trägern von Pflegeheimen oder ambulanten Diensten, also zuallererst den Kirchen, denen bereits 2016 aufgefallen sein muss, dass sich bei der anvisierten Ersatz-Verkasematuckelung schwindender Kirchensteuergelder durch höhere Pflegeheimentgelte gewisse Problemchen einstellen können, von denen die kongruent zu den steigenden Heimentgelten abnehmende Zahlungsbereitschaft der Kundschaft wohl das grösste und gefährlichste ist, was die Evangelische Heimstiftung in der letzten Zeit ja auch sehr eindrucksvoll bewiesen hat. Also ersann man seinerzeit, 2016, vorsorglich den sogenannten „Spitze-Sockel-Tausch“, was sich natürlich schwer umständlich anhören muss, letztendlich aber nichts anderes bezwecken soll, als die der Zahlungsbereitschaft der Kundschaft so schädlich entgegenwirkende Höhe des privat zu tragenden Eigenanteils entscheidend zu minimieren. Und weil man das so natürlich nicht sagen konnte, schwadronierte man eben pressetauglich von der Bekämpfung des Pflegenotstandes und der Bekämpfung von Dumpinglöhnen und der Bekämpfung der Altersarmut undsoweiter, was sich alles allein und nur und selbstredend durch die Deckelung des Eigenanteils erreichen liesse, da man nur damit Pflege bezahlbar machen könne und sodann nur noch über die Qualität miteinander konkurrieren müsste. Nach fast 30 Jahren Pflegeversicherung wird es Zeit, so liess man wissen, diese neu zu erfinden und ein paar Geburtsfehler zu korrigieren. Die Pflegeversicherung müsse zu einer „Pflegevollversicherung mit fixem Eigenanteil“ weiterentwickelt werden, damit Pflegebedürftigkeit für jeden bezahlbar bleibt. Federführend bei dieser Kampagne ist – wie könnte es anders sein? – der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung Bernhard Schneider höchstpersönlich. Und mittlerweile zeitigt diese Kampagne auch gewisse Erfolge in der Politik, zum einen, weil die Kirchen nach wie vor grossen Einfluss innerhalb der massgeblichen politischen Parteien haben und zum anderen, da diese Idee eine ungeheure politische Zugkraft entfalten kann, eben weil sie ungeheuer grossen Wählerschichten, den immer grösser werdenden Bevölkerungsanteil der Senioren als auch deren Erben, einen nicht zu unterschätzenden pekuniären Vorteil verspricht. Nach ersten zaghaften Signalen der Zustimmung aus den hinteren Reihen der Unionsparteien und der FDP, gibt es mittlerweile einen Vorstandsbeschluss der SPD, der die Deckelung des Eigenanteils unterstützt, und positionieren sich auch die Grünen mit Katrin Göring-Eckardt, ehemalige Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und privat mit einem Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD liiert, und „Manne“ Lucha, Sozialminister von Baden-Württemberg, im „Handelsblatt“ vom 10.04.2019 prominent: „Pflegebedürftigkeit darf nicht zur Armut führen. (…) Die Summe, die Pflegebedürftige selbst für die Pflege zahlen, wird künftig festgeschrieben. Alle anderen Kosten Pflegekosten übernimmt die Versicherung. (…) Wir wollen, dass Pflegebedürftige einen festen Beitrag für die Pflege zahlen …“. Allerdings liest sich dieser angeblich von Göring-Eckardt und Lucha selbst verfasste Text, der aber tatsächlich in grossen Teilen aus Textbausteinen von Pressemitteilungen der Initiative „Pro-Pflegereform“ zusammengesetzt ist, etwas seltsam verschwurbelt, so verschwurbelt, dass Profis vielleicht erahnen können, was Göring-Eckardt und Lucha der Leserschaft des Handelsblatt eigentlich und vielleicht mitteilen wollten, während bei dem Leser, der mit der ganz speziellen Arithmetik der Zusammensetzung der Pflegeheimkosten nicht vertraut ist, und das werden wohl die allermeisten gewesen sein, eigentlich nur hängen blieb: “Die Grünen wollen den Eigenanteil der Pflegeheimkosten deckeln, keine Ahnung, wie.” Kein Wunder also, dass Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, in seinem eigenen Zentralorgan „Das Magazin“, mit welchem der selbsternannte Branchenprimus auch uns ahnungslose und hoffnungslose abgehängten Landeier von der Freien Pflege regelmäßig und ungefragt über die neuesten Errungenschaften der Heimstiftung informiert, noch einmal informativ nachlegt und deutlich wird.

Zentralorgan der Evangelischen Heimstiftung: “Das Magazin”. Was sonst? Offenbar laufen in der Heimstiftung derzeit Versuche mit Ecstasypillen. Auch mal ganz nett

Zunächst freut er sich in einem offenbar mit sich selbst geführten Interview darüber, dass die positiv zustimmenden Verlautbarungen zur Deckelung des Eigenanteils von Göring-Eckardt und Lucha im Handelsblatt und auch von Andrea Nahes auf spiegel.de nicht nur inhaltlich, sondern auch bis in die Wortwahl deckungsgleich mit seinen Vorschlägen sind. So was aber auch. Dann verdrückt er pflichtschuldigst ein paar Krokodilstränen, weil sie doch so teuer werden mussten, dass sie jetzt schon einen Eigenanteil von über 3000 Euro erreichen, um danach rhetorisch zu fragen:

„Wer kann sich das noch leisten?“, und fortzufahren: „Jede Leistungsverbesserung muss von den Bewohnern und deren Angehörigen aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Immer mehr Menschen empfinden das als eine große Ungerechtigkeit. Es kann doch nicht sein, dass es eine Pflegeversicherung gibt und trotzdem müssen alte Menschen noch über 1.500 Euro für die Pflege zusätzlich zahlen.“

Auszug aus dem Interview mit Bernhard Schneider in “Das Magazin” 1/2019

Und da freut er sich im Anschluss über die Aktivitäten des Herrn Lucha, den er kürzlich mal wieder getroffen habe, vermutlich nach der Veröffentlichung seines etwas kryptischen gemeinsam mit Göring-Eckardt verfassten Artikels im Handelsblatt, weshalb er sich erkundigte, ob der Herr Minister auch begriffen hätte, was er, der Herr Hauptgeschäftsführer, von ihm will:

„Er (Lucha – rp) hat mir kürzlich bei einem Gespräch versichert, dass er das Reformgutachten, das ich (Schneider – rp) ihm bei der Pflegemesse 2018 überreicht habe, persönlich gelesen und auch verstanden hat.“

Tja, in Zeiten, da der Fachkräftemangel auch die Politik schon längst erreicht hat, kann auch ein Bernhard Schneider sich sein Personal nicht immer aussuchen, weshalb er im Anschluss an sein Interview-Selfie noch einmal prägnant seine Forderungen formuliert:

„Unabhängig davon, wo jemand wohnt (zu Hause, im Betreuten Wohnen oder Pflegeheim), übernimmt also die Pflegeversicherung Grundpflege und Betreuung, die Krankenkasse Behandlungspflege und Rehabilitation und der Versicherte zahlt die Hotelkosten.“

Und das lässt dann schon aufhorchen, denn in der Tat kann man die Pflegeheimkosten grob in zwei Kostenblöcke unterteilen, zum einen sind da die sogenannten Hotelkosten, also die Kosten, die angefallen sind für die Immobilie und die Ausstattung derselben und natürlich auch die Kosten, die regelmässig anfallen für Heizung, Warmwasser, Reinigung, Strom, Vollpension, Haustechnik undsoweiter und somit ungefähr das Gleiche, was fällig wird, wenn man oder frau sich in ein Hotel zu Urlaubszwecken einbucht. Der zweite Kostenblock beinhaltet dagegen die Kosten für den sogenannten pflegebedingten Aufwand, also all das, was fällig wird für die Pflege und Betreuung der Bewohner. Während der erste Kostenblock zum einen für alle Pflegegrade einheitlich abgerechnet wird und zum anderen nicht sehr dynamisch ist, in dem Sinne, dass auch längerfristig keine grossen Veränderungen bezüglich ihrer Höhe zu erwarten sind, da die Investitionen langfristig abgeschrieben werden, die darin enthaltenen Personalkosten übersichtlich sind und die Sachkosten lediglich der allgemeinen Teuerungsrate folgen, werden die Kosten des zweiten Kostenblocks, die für die Pflege, nach Aufwand differenziert und sind äusserst dynamisch, da sie eben fast ausschliesslich aus Personalkosten bestehen und natürlich auch die Löhne der Pflegefachkräfte beinhalten. Und das weiss natürlich auch Bernhard Schneider, so, wie er weiss, dass sein Verein bei dem Projekt Ersatz-Verkasematuckelung von Sozialversicherungsgeldern anstatt wegbrechender Kirchensteuereinnahmen ein sehr massives Problemchen hat, und dieses Problemchen ist die heftige Kostendifferenz seiner und anderer Pflegeheime der Kirchen zu den Pflegeheimen der Freien Konkurrenz, die mit 1.200 bis 1.800 Euro regelmässig einen Eigenteil monatlich in Rechnung stellen, der nicht selten weniger als die Hälfte dessen beträgt, was er und seine kirchlich “frei-gemeinnützigen” so monatlich in Rechnung stellen und das obwohl viele Freie Träger in den letzten Monaten nicht nur notgedrungen die Löhne erhöht haben, so dass sie sehr wohl auch mit den Einrichtungen der Kirchen um Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren können. Ein Problemchen, das sich in Zukunft sehr wahrscheinlich noch verstärken wird, denn wenn die Menschen im Landkreis Böblingen, der wohl (noch!) mit über das höchste durchschnittliche  Pro-Kopf-Einkommen der Republik verfügen dürfte, selbst in Zeiten eines akuten Pflegeplatzmangels die heimischen kirchlichen und grotesk überteuerten Einrichtungen meiden, wie wird das erst aussehen, wenn die jetzt fehlenden Kapazitäten in ein paar Jahren aufgebaut sein werden und die derzeit bestehende starke Pflegeplatz-Nachfrage auf ein grösseres Angebot trifft?

Und genau deshalb muss diese lästige Kostendifferenz zu den Freien Pflegeheimen irgendwie weg. Und weil diese Differenz vor allem in dem dynamischen zweiten Kostenblock steckt, nämlich dem für die Pflege, muss eben genau der irgendwie weg.

Und am besten weg ist er, wenn man die Rechnung für den dynamischen zweiten Kostenblock nicht dem Bewohner oder dessen Angehörigen präsentieren muss, sondern elegant der anonymen Masse der Sozialversicherungsbeitragszahler unterschiebt.

Denn wenn der Bewohner oder dessen Angehörige nur noch den ersten nicht sehr dynamischen Kostenblock in Rechnung gestellt bekommt, der sich von Heim zu Heim nur wenig unterscheidet, ist ihm der Preis als Auswahlkriterium seiner Pflegeeinrichtung zunehmend egal.

Und damit wären Bernhard Schneider und die anderen kirchlichen Pflegeheime aus dem Schneider, aber natürlich gibt es dabei mal wieder zwei nicht ganz unerhebliche Problemchen, die Schneider und die SPD und die FDP und Göring-Eckardt und Lucha offensichtlich nur sehr peripher jucken, um nicht zu schreiben: ziemlich weit am Allerwertesten vorbeigehen. Zum einen stehen die Kosten für die Pflege zwar nicht mehr auf der Heimkostenrechnung der Bewohner, aber deshalb sind sie natürlich nicht „weg“, sie werden vielmehr durch die Pflegeversicherung beglich…

Chef?

Hmmmja?

Is doch ok!

Was is ok?

Is doch auch für uns nicht schlecht. Wenn den Kunden der Preis egal ist, weil der Löwenanteil von der Allgemeinheit, also den Beitragszahlern der Pflegeversicherung, gezahlt wird, profitieren wir doch auch. Wie wärs also, wenn wir die Füsse stillhalten, mit unserem kleinen Boot im Fahrwasser der kirchlichen Sozialkonzerne segeln und dann unseren Schnitt machen? Die Kirchen haben uns schliesslich über 2000 Jahre Marketingerfahrung und Lobbyarbeit voraus. Die wissen ziemlich genau, wo’s warm rauskommt.

Das wissen die in der Tat ziemlich genau. Und der Witz ist, sie haben auch noch grundsätzlich recht. Denn die Eigenanteile werden aufgrund steigender Löhne natürlich weiter ansteigen, bis irgendwann der Punkt erreicht sein wird, da sich fast niemand mehr stationäre Pflege wird leisten können. Es besteht also tatsächlich Handlungsbedarf, allerdings sollte man hier nach Möglichkeiten suchen, die finanziellen Lasten einer alternden und zunehmend pflegebedürftigeren Gesellschaft gerechter zu verteilen, statt alles nur den Jungen aufzubürden. Denkbar wären zum Beispiel ansteigende Leistungen der Pflegeversicherung bei zunehmender Verweildauer im Pflegeheim oder eine mögliche Mehrleistung der Versicherung bei entsprechender und geprüfter Bedürftigkeit noch vor der Sozialhilfe oder höhere Freibeträge der Angehörigen oder besser noch die Bezuschussung der Pflegekosten durch rückgestellte Steuergelder, die jetzt erwirtschaftet werden, eben von jenen Steuerzahlern, deren Pflege später aufgrund ihres demographischen Gewichts besonders teuer wird. All das wäre gerechter als die sehr schlichte Rechnung der Kirchen, den Kostenblock 2 ergänzt um die Verkasematuckelkosten einfach an die Solidargemeinschaft weiterzureichen, denn das käme die jüngeren Generationen verdammt teuer. Aber vielleicht sind die Kirchenverantwortlichen in den Sprengeln schon so in Panik, dass ihnen die Folgen ihrer Art der Deckelung der Eigenanteile ziemlich egal sind. Dabei sind die Folgekosten immens und über die kommenden Jahre stark steigend. Der Kostenblock 2 für den pflegebedingten Aufwand beträgt immerhin je nach Pflegegrad zwischen 50 und 80% der gesamten Heimkosten einer Einrichtung. Und 2018 gab die Pflegeversicherung bereits 41,27 Milliarden Euro aus, das sind 2,77 Milliarden Euro mehr als noch 2017, dabei überstiegen 2018 die Gesamtausgaben der Pflegeversicherung deren Gesamteinnahmen trotz guter Konjunktur schon um 3,55 Milliarden Euro, weshalb der Beitragssatz für 2019 auf 3,05 bzw. 3,30% erhöht werden musste, also bereits doppelt so hoch wie zur Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 1990er Jahre.  Je nach dem, wie viel die kirchlichen Sozialkonzerne von ihren Plänen umsetzen können, werden die Ausgaben der Pflegeversicherung nochmal zwischen 5 und 15 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Und um das zu finanzieren, müsste man eigentlich die Beiträge für die Pflegeversicherung erhöhen und das nicht nur ein bisschen und auch nicht einmalig, sondern wenn die Berechnungen der “Stiftung Marktwirtschaft” stimmen, auf 8 bis 9%. Das bedeutet, dass sich der Beitrag der Pflegeversicherung, sollten keine anderen Finanzquellen gefunden werden, sich vervielfachen wird und das wiederum in einer Zeit, da die Sozialabgaben in Deutschland durch das segensreiche Wirken unserer Politiker ohnehin schon noch nie dagewesene Rekordhöhen erreicht haben, auch weil die Grosskoalitionäre und hier vor allem die SPD, die älteren Generationen bereits mit der Mütterrente oder der Rente ab 63 bedacht haben, deren Kosten natürlich auch aufgrund des demographischen Wandels sehr dynamisch steigen werden. Das ist aber noch nicht alles, denn selbst wenn diese immens steigenden Kosten unser Sozialversicherungssystem nicht irgendwann implodieren lassen, stecken in diesen ganz speziellen Verkasematuckelungen noch weitere soziale Ungerechtigkeiten, wobei man den Umstand, dass der Staat diejenigen seiner Bürger, die aus der Kirche ausgetreten sind, dann dennoch und gegen ihren Willen zur Finanzierung der Kirchen heranzieht, indem man sie einfach via Pflegeversicherung schröpft, schon fast ausser Acht lassen kann.

Wie schon beschrieben, sind nicht nur die Löhne in Deutschland unterschiedlich, sondern auch die Lebenshaltungskosten sind in ihrer jeweiligen Höhe durch ein Ost-West-Gefälle gekennzeichnet. Das heisst, man verdient in Ostdeutschland zwar weniger, man muss aber in aller Regel auch weniger Geld ausgeben, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Demzufolge sind auch die Pflegeheime im Osten günstiger, die günstigsten finden sich derzeit in Mecklenburg-Vorpommern. Und sie sind auch so günstig, weil in dem Kostenblock 2, den die Kirchen gerne wegzaubern würden, auch die geringeren Löhne der ostdeutschen Pflegefachkräfte stecken. Sollte die Pflegeversicherung in Zukunft tatsächlich den Eigenanteil deckeln und die Kosten für den Pflegebedingten Aufwand komplett übernehmen müssen, würden die ostdeutschen Pflegeheime im realen Geldwert viel weniger profitieren als die westdeutschen, die ostdeutschen Arbeitnehmer müssten jedoch ihren Pflegeversicherungsbeitrag in voller Prozent-Höhe abführen, ebenso wie die westdeutschen, was ihnen im Verhältnis gesehen auch genauso weh tuen würde. Weil aber die Pflegeheime im Osten günstiger sind, ist davon auszugehen, dass die Versicherungsbeiträge der ostdeutschen Arbeitnehmer nicht vollständig zur Deckelung des Eigenanteils der ostdeutschen Heime benötigt und sodann zur Finanzierung der teureren Heime im Westen und Süden der Republik herangezogen würden. Ostdeutsche Krankenschwestern finanzierten so im viel stärkeren Maße als jetzt schon durch ihren Versicherungsanteil und den damit einhergehenden Verzicht die viel höheren Löhne ihrer westdeutschen Kollegen mit.

Damit nicht genug, leben nicht nur im Osten, sondern überall in der Republik viele Menschen von einem eher unterdurchschnittlichen Einkommen. Auch sie würden ausnahmslos zur Finanzierung der Deckelung des Eigenanteils herangezogen werden, um unterschiedslos allen Pflegebedürftigen einen geringeren Eigenanteil zu bescheren. Unter diesen Pflegebedürftigen finden sich aber nicht nur finanziell Bedürftige, es finden sich auch Menschen unter ihnen, die finanziell sehr gut gestellt sind, die viel mehr verdienen als andere, und die sehr wohl in der Lage wären, den Eigenanteil der Pflegekosten aus eigenen Mitteln zu stemmen. Sollten die Kirchen aber mit ihren Plänen durchkommen, könnten gerade die Gutverdiener ihre Vermögen durch die Versicherungsbeiträge auch der unterdurchschnittlichen Verdiener schonen.

Und damit immer noch nicht genug, würden vor allem die Jungen, die den Grossteil ihres Erwerbsleben noch vor sich haben, über Gebühr belastet werden. Sie würden nicht nur herangezogen zur Finanzierung der jetzt schon in Rekordhöhe gestiegenen Sozialabgaben, sondern müssten noch tiefer in Tasche greifen zur Finanzierung der Deckelung der Pflegekosten der älteren Generationen, die steig steigen werden. Und natürlich beziehen auch heute viele Rentner eher kleine Renten und Altersarmut ist kein seltenes Phänomen, es ist aber davon auszugehen, dass die jungen Generationen später viel weniger Rente erhalten werden als heute. Es wäre also sehr ratsam, wenn diese jungen Menschen bei Zeiten privat für das Alter vorsorgen könnten. Dazu bräuchten sie jedoch mehr Netto vom ihrem Bruttolohn, der aber bereits durch die Rentenabgaben und Sozialabgaben und Steuern und vielleicht auch hohe Mieten und dann auch noch durch den höheren Pflegeversicherungsbeitrag sehr stark belastet ist und wäre. Und eben das treibt das Risiko der Altersarmut für diese Generationen in prekäre Höhen.

Das Resultat der Deckelung des Eigenanteils, wie sie den Sozialkonzernen der Kirchen vorschwebt, wäre somit eine dreifache Umverteilung. Eine Umverteilung von Ost nach West. Eine Umverteilung von Arm nach Reich. Und eine Umverteilung von Jung nach Alt. Und das in stetig steigender jährlicher Milliardenhöhe über mehrere Jahre und Jahrzehnte hinweg.

Und damit immer noch nicht schlimm genug, bringen die Polit-Borgs vom Planeten der SPD ausgerechnet auch noch Verdi mit ins Spiel, die nach bewährter Manier alles, aber auch wirklich alles unternehmen werden, um ausgerechnet den Kostenblock 2, in dem ja die Pflegepersonalkosten stecken, in astronomische oder besser noch: intergalaktische Höhen nie gekannten Ausmasses zu treiben.

Es ist das Projekt dreier zunehmend Verzweifelter, einer Gewerkschaft, der trotz ihrer teilweise wahnwitzigen Erfolge die Mitglieder davonlaufen oder einfach wegsterben, den Kirchen, die ihrerseits kein Rezept gegen ihren Mitgliederschwund gefunden haben und nach neuen Einnahmequellen Ausschau halten und einer Partei, der mittlerweile dämmert, dass ihr sozialdemokratisches Narrativ ganz einfach auserzählt ist und deren sonstige Programmatik schon seit Jahren bei den Grünen im Sonderangebot zu haben ist, weshalb man panisch nach neuen Ideen für Wohltaten forscht, die vielleicht irgendwie neue Wählerschichten erschliessen könnten. Gemein ist diesen drei Institutionen eine immer prekärere Lage, die sie ziemlich unempfindlich für die Folgen ihrer Pläne macht. Und so ist es dann natürlich und ausgerechnet die SPD, die den beiden anderen verzweifelten Füchsen die Tür zum Hühnerstall öffnet. Dass ihre eigentlich angestammte, aber schon längst weggeekelte Kernklientel, die unterdurchschnittlich Verdienenden, unter dem sich anschliessenden Massaker im Pflegeversicherungs-Hühnerstall am meisten bluten werden, scheint der SPD ziemlich wurschtegal zu sein. Aber bei dieser Partei wundert einen ohnehin nix mehr.

Zumindest bei den Kirchen jedoch scheinen sie sich nicht ganz so sicher zu sein, ob ihr Plan auch vollumfänglich aufgehen wird. Und da ist es dann ganz gut – 2000 Jahre Erfahrung beim Verkasematuckeln sind eben nicht zu unterschätzen – wenn man auch noch Plan C in petto hat, was so die lästige Kostendifferenz zu den Eigenanteilen der Freien Konkurrenz angeht. Und dieser Plan C hat etwas damit zu tun, dass es dem Polit-Borg vom Planeten der SPD, der aus dem Arbeitsministerium heraus federführend für die Anbahnung eines Pflege-Tarifvertrages grosskoalitionär verantwortlich ist, zunächst nicht gelang, irgendwelche Pflege-Arbeitgeber ausser der SPD nahen Arbeiterwohlfahrt für die Idee der Tarifverhandlung mit Verdi zu begeistern, alle anderen Pflegearbeitgeber, ob frei-gemeinnützig oder Frei, standen der Verdi-Idee nämlich mehr als nur skeptisch gegenüber. Und da war es dem Polit-Borg ungeheuer wichtig, wenigstens Caritas und Diakonie, die immerhin noch so rund 28% der Arbeitnehmer in der Pflege beschäftigen, irgendwie zum „Mitmachen“ zu bewegen – vielleicht auch, um der ganzen Angelegenheit eine irgendwie “gute Aura” zu geben. Nur war das mit dem „Mitmachen“ so eine Sache, denn Caritas und Diakonie pochen – spätestens immer dann, wenn es um die Kohle geht – auf ihr verfassungsmässig verbrieftes kirchliches Selbstbestimmungsrecht, weshalb die beiden Sozialkonzerne auch nicht nach Tarif, sondern nach den sogenannten „Arbeitsvertragsrichtlinien“ zahlen, die allein und einseitig durch die Kirchen als Arbeitgeber festgelegt werden. Weil sie aber so nett von dem Polit-Borg vom Planeten der SPD, vielleicht auch mit ein klein wenig Unterstützung der Polit-Borgs vom Planeten der CDU, gebeten wurden und weil immer dann, wenn die Kirchen von der Politik nett um irgendetwas gebeten werden, das von den  Kirchen gleichbedeutend als ein Signal zum nicht selten unverschämten Hochschrauben ihrer Forderungen verstanden wird, liessen sie sich nach einigem Zögern auf das Werben der Polit-Borgs ein. Denn „Mitmachen“ ist ja nicht immer gleich „Mitmachen“ oder sogar dasselbe. „Mitmachen“ kann man schliesslich so oder so verstehen. Und die Kirchen verstanden unter „Mitmachen“ natürlich nicht, dass sie sich mit den anderen Arbeitgebern der Pflege gemeinsam mit Verdi an einen Tisch setzen würden, um einen Tarifvertrag zu verhandeln, vielmehr gaben sie dem innigen Werben der Polit-Borgs von den vereinigten Planeten der SPD und CDU erst nach, als diese ihnen eine Option eröffneten und gesetzlich garantierten, die in der Tarifverhandlungs-Geschichte selbst der Bunserepublik Deutschland ziemlich einmalig sein dürfte. Denn wie es sich für ein ordentliches Gesetz gehört, definiert das sogenannte „Pflegelöhneverbesserungsgesetz“ mittels § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz zunächst einmal Geltungsbereich als auch Zielsetzung des zukünftigen Tarifvertrages und so ist dann dort zu lesen, dass die

„… Rechtsnormen dieses Tarifvertrages auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung finden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um (…) dabei insbesondere einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenzuwirken.“

Und da ist sie wieder diese lästige Kostendifferenz zu den Eigenanteilen der Freien Konkurrenz, sie findet sich verklausuliert in den Worten „Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten“. Ganz nebenbei verschiebt das diesen Worten vorausgehende „insbesondere“ den Fokus des Gesetzes, das doch eigentlich ein Gesetz zur Verbesserung der Löhne in der Pflege sein wollte. Denn aus dem „Pflegelöhneverbesserungsgesetz“ wird so in allererster Linie ein „Verdrängungswettbewerbüberlohnkostenverhinderungsgesetz“. Und das hat natürlich damit zu tun, dass man das Gesetz schlecht „Verdrängungswettbewerbwegenzuhoherverkasematuckelkostenverhinderungsgesetz“ nennen kann, denn dann würde ja auffliegen, warum die Eigenanteile der kirchlichen Sozialkonzerne in den letzten Monaten so angezogen hatten. Also behauptet man lieber und weiterhin steif und fest, dass der Eigenanteil von Diakonie und Caritas vergleichsweise teuer ist, weil sie nämlich so gut zu ihren Pflegefachkräften seien und anständige Löhne zahlen würden, während die verruchten Kapitalisten von den Freien Pflegeeinrichtungen ihre Pflegefachkräfte nicht nur jeden Morgen mit der Peitsche auf Station treiben, sondern auch noch mit Dumpinglöhnen abspeisen würden, was ja angesichts der geschilderten Arbeitsmarktsituation und der Entgeltstatistik eigentlich zunehmender Nonsens ist, für die kirchlichen Sozialkonzerne aber dennoch eine sehr gewichtige Argumentationshilfe bleibt, um mit ihrer Sonderrolle durchzukommen. Denn im weiteren Fortgang der Gesetzestextlektüre wird offenbar, dass die Kirchen sich erstens natürlich nicht mit den anderen Tarifparteien an den Verhandlungstisch setzen werden, sich aber dennoch und  zweitens eine entscheidende Rolle ausbedungen haben, welche auch brav von den vereinten Polit-Borgs zusammen mit Lieutenant Uhura in den Gesetztestext hineingewoben wurde. Im Entwurf des “Pflegelöhneverbesserungsgesetzes” der Bundesregierung vom 17.06.2019 steht diesbezüglich zu lesen:

„Das Verfahren nach § 7a AEntG wird unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts angepasst. Religionsgesellschaften, in deren Bereichen Kommissionen zur Festlegung von Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche auf der Grundlage kirchlichen Rechts gebildet sind, werden in das Verfahren eingebunden. Die von den Religionsgesellschaften benannten Kommissionen erhalten Gelegenheit, vor Abschluss des Tarifvertrages, für den ein Antrag auf Erstreckung beabsichtigt ist, zu dessen voraussichtlichem Inhalt Stellung zu nehmen und eigene Regelungsvorstellungen vorzutragen. Einem Antrag der Tarifvertragsparteien auf Erstreckung der Rechtsnormen des Tarifvertrages müssen die Kommissionen repräsentativer Religionsgemeinschaften zustimmen.“

Und das ist jetzt natürlich mal wieder schön verschwurbelt formuliert, aber im Kern bedeutet dies nix anderes, als dass die kirchlichen Sozialkonzerne, welche ihre eigenen Tarifbedingungen mit ein wenig Kommissions-Make-up lediglich arbeitgeberseitig festlegen, vor Inkrafttreten eines Tarifvertrages für die gesamte Pflege, an dessen Verhandlung sie sich nicht beteiligt haben, nicht nur zur etwaigen Änderungswünschen befragt werden müssen, sondern auch noch mit einer Art Vetorrecht bedacht worden sind, denn eine „Erstreckung“ (Das ist das Inkrafttreten des Tarifvertrages) bedarf ihrer Zustimmung, wobei im entsprechenden Gesetzestext noch einmal ausdrücklich festgehalten ist, dass die Stellungnahme der Kirchen zu dem Tarifvertrag sich insbesondere der Frage widmen solle, ob dieser geeignet sei, „… einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenzuwirken.“

Und bei einer Branche deren bestimmender Kostenfaktor mit bis zu 70% Kostenanteil die Personalkosten sind, ist die Frage nach den Lohnkosten die ganz entscheidende Frage oder anders formuliert: Sind die Lohnkosten die ganz massgebliche Stellschraube, mittels derer man das Produkt Pflege entweder teurer oder ganz schnell auch unbezahlbar machen kann, zumal wenn Verdi mit im Boot Platz genommen hat. Und so darf man sich diese einzigartige Position, in welche sich die kirchlichen Sozialkonzerne dank der Polit-Borgs manövriert haben, ungefähr so vorstellen, als ob Mercedes Benz und BMW durch den Gesetzgeber gezwungen werden, mit der IG Metall einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag auszuhandeln, der erst Inkrafttreten kann, wenn Volkswagen, die ihre Arbeitsbedingungen und Tarife bisher arbeitgeberseitig selbst bestimmt hätten, noch ein paar Änderungen einflicken lässt, um die Produkte der Konkurrenz ein wenig teurer und die eigenen damit ein wenig wettbewerbsfähiger zu machen, bevor man in Wolfsburg dem Inkrafttreten ausdrücklich zustimmt, damit der Tarifvertrag der Konkurrenz seine Gültigkeit entfalten kann. Dabei ist es noch nicht mal ausgemacht, ob Volkswagen oder hier: die kirchlichen Sozialkonzerne überhaupt willens sind, dem Tarifvertrag nach Inkrafttreten beizutreten. Denn diesbezüglich findet sich nichts wirklich Verbindliches im sogenannten „Pflegelöhneverbesserungsgesetz”, alles verbleibt schön schwammig im Wagen und Ungefähren. Gut möglich also, dass sich Caritas und Diakonie, wenn es zum Schwur kommen sollte, dann doch wieder auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht berufen werden, das ihnen verfassungsmässig den Schutz vor staatlichen Eingriffen garantiert – und der Eingriff in die kirchliche Tarifautonomie wäre ein ziemlich tiefer staatlicher Eingriff – und man sich so seitens Caritas und Diakonie einen ziemlich schlanken Fuss macht, nachdem man nicht nur die Freie Konkurrenz Verdi zum Frass vorgeworfen hätte, was dann tatsächlich dazu führen könnte, dass einem „Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten“ entgegengewirkt wäre, indem die steigenden Verdi-Lohnkosten den Eigenanteil der nicht-kirchlichen Pflegeheime nach und nach so in die Höhe treiben würden, dass der aufgrund der Verkasematuckelkosten höhere Eigenanteil der kirchlichen Pflegeheime und somit die lästige Kostendifferenz zu den Eigenanteilen der Freien Konkurrenz irgendwann kompensiert wäre.

Und eben das ist der grosse Pflegeschwindel: die Instrumentalisierung einer ganzen Branche zum Zwecke von eigentlich branchenfremden Interessen, die zum einen, wie Verdi und die Kirchen gerne noch mehr dringend benötigte Gelder requirieren möchten, und zum anderen die Parteien, denen in bewegten Zeiten ganze Stammwählerschichten wegbrechen, weshalb man die immer noch potentiell wahlentscheidenden, weil starkanwachsenden Bevölkerungsschichten der Senioren und Rentner als auch deren Erben gerne ein weiteres Mal wahlbeschenken möchte. Und so griff ein Mitarbeiter der Plasberg-Redaktion im Vorfeld der Sendung zum Telefon und rief wahrscheinlich bei Verdi an, um sich zu erkundigen, ob sie ihnen jemanden hätten, eine Pflegefachkraft oder so, die n bisschen von ihrem tristen Berufsalltag und der miesen Bezahlung in der hartaberfair-Sendung berichten könnte, drei Minister kämen auch und dann noch son Vertreter der privaten Pflegeheimbetreiber. Und da sagten sie vielleicht bei Verdi, also eine Pflegefachkraft hamwa gerade nich, aber ne Azubine im dritten Ausbildungsjahr, die so … unbedarft bei der Auswahl ihrer praktischen Ausbildungsstätte war, dasse nur krass mickrige 680 Euro pro Monat verdient und telegen isse auch noch. Und da freute sich der Plasberg-Redaktionsmitarbeiter, weil krass mickrige 680 Euro echt ne Ansage sind, wenns doch um nix Geringeres als um die Rettung der Pflege geht, da wird der private Pflegeheimfuzzi aber schwer ins Schwitzen kommt. Und da freute sich die Verdi-Funktionärin, weil es ihr gelungen ist, der Journaille ne 680 Euro Azubine unterzujubeln, mit der man bestens an der Legende der Ausbeutung der Pflegefachkräfte weiterstricken kann, um dem grossen Ziel des branchenweiten Tarifvertrages vielleicht entscheidend näherzukommen, der einen Berufsstand, dessen Vergütung sich laut amtlicher Statistik gerade auch im Verhältnis zu vergleichbaren Ausbildungsberufen durchaus sehen lassen kann, vor der angeblichen Verelendung retten soll. Dass die 680 Euro Azubine mit der Realität in den allermeisten Pflegeeinrichtungen wenig bis nix zu tun hat und somit alles andere als repräsentativ ist – scheissegal! Mit solch unbedeutenden Kleinigkeiten hält sich der real existierende Staatsrundfunk doch nicht auf. Und da freuen sich auch die Referenten der Politi-Borgs vom Planeten der SPD, wenn sie ihren Chefs berichten können, dass in der nächsten Plasberg Sendung so eine 680 Euro Azubine auf sie wartet, um mit ihrem Elend die Notwendigkeit eines Verdi-Tarifvertrages noch einmal tränenschwer zu unterstreichen, was den Polit-Borgs todsicher den Glorienschein der Pflegeretter einbringen wird, bevor sie sich von Bernhard Schneider auf Kurs gebracht, daran machen, die Pflegeversicherung mittels Eigenanteil-Deckelung vollends zu versenken. All dies geschieht – mal wieder – unter dem Deckmantel der „Rettung der Pflege“ und als Mittel zum Zweck sollen dienen: ein Zwangstarifvertrag sowie die Deckelung der Eigenkosten, welche die durch den Zwangstarifvertrag ins Unermessliche steigende Kosten vor den Augen der Bewohner, der Angehörigen aber auch der Bürger verbergen soll, bis sie irgendwann fett und schwarz auf weiss auf den Lohnzetteln stehen. Dabei dürfte allen, den Kirchen, der Gewerkschaft als auch den politischen Parteien, mehr als nur bewusst sein, vor welche enormen Herausforderungen uns der Demografiewandel stellt. Erst vor wenigen Tagen, am 27.06.2019 präsentierte das Statistische Bundesamt die Ergebnisse der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, demnach stieg die Anzahl der Personen in Deutschland im Alter ab 70 Jahren zwischen 1990 und 2018 bereits von 8 auf 13 Millionen an.  Die der Menschen im Alter ab 67 Jahren stieg zwischen 1990 und 2018 gar um 54% von 10,4 Millionen auf 15,9 Millionen. In den nächsten 20 Jahren wird diese Zahl um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 20,9 Millionen wachsen. Die Gruppe der Menschen ab 80 Jahren wird bereits in den nächsten Jahren bis 2022 von 5,4 Millionen im 2018 auf 6,2 Millionen steigen und dann bis Anfang der 2030er Jahre auf diesem Niveau verbleiben. Dann ist jede zehnte Person in Deutschland mindestens 80 Jahre alt. Gleichzeitig verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach aus dem Erwerbsleben, sodass immer mehr Menschen zu Sozialversicherungsleistungsempfängern werden, während die Zahl der Erwerbstätigen und Beitragszahler kontinuierlich sinkt. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bereits bis 2035 um 4 – 6 Millionen abnehmen wird. Ein Effekt, an dem auch die derzeit starke Zuwanderung nichts ändern wird, auch weil 50% aller Menschen im Erwerbsalter bereits 45 Jahre und älter sind. Wenn diese Alterskohorte also in die Rente marschiert, ist wirklich Ende Gelände, wobei „Menschen im Erwerbsalter“ nicht gleichbedeutend ist mit „berufstätigen und beitragszahlenden Menschen“. Es ist nicht ausgemacht, dass die Beschäftigungsquote in den nächsten Jahrzehnten nach Digitalisierung, weit vorauseilender Klimawandelbekämpfung, Verkehrs- und Energiewende auch nur annähernd bei 100% liegen wird. Das bedeutet, dass immer weniger Beitragszahler immer mehr Leistungsempfänger schultern müssen. Und damit nicht genug, steigt die Lebenserwartung auch noch stark an, von 83,2 Jahren in 2017 bis 86,4 – 89,6 2035 bei den Frauen und bei den Männern von 78,4 Jahren in 2017 bis 82,5 – 86,2 in 2035.

Immer weniger junge Beitragszahler werden demnach nicht nur immer mehr Leistungsempfänger schultern müssen, sondern jeden einzelnen von ihnen auch noch immer länger.

Und anstatt endlich darüber nachzudenken, wie unsere Gesellschaft die Kosten der Pflege sozial- und generationengerecht stemmen könnte, beispielsweise mittels steuerlichen Rücklagen, die helfen könnten, den galoppierenden Eigenanteil einzufangen oder zumindest bezahlbar zu machen, treibt man nicht nur in Baden-Württemberg den Preis der Pflege und damit die Höhe des Eigenanteils jetzt schon munter weiter in die Höhe, indem man im Zuge der Landesheimbauverordnung bereits bestehende Kapazitäten in den Pflegeeinrichtungen vernichtet, weil man Doppelzimmer den wahlentscheidenden Bevölkerungsschichten nicht mehr zumuten oder sie gerne mit noch grösseren Einzelzimmern beschenken möchte, was, wenn die betreffenden Heime nicht ganz schliessen müssen, immens teure Umbaumassnahmen zur Folge hat, die natürlich auf die Heimkosten draufgeschlagen werden müssen. Auch weil eine Pflegeeinrichtung, die mehrere Millionen Euro für Baukosten ausgeben muss, um nach Abschluss der Bauarbeiten weniger Plätze und damit auch weniger Umsatz zu haben, kaum Fixkosten reduzieren kann. Von BILD auf den Wahnsinn der Landesheimbauverordnung angesprochen, berief sich eine baden-württembergische Regierungsvertretern pathetisch auf die „Würde des Menschen“.

Seltsam, an die Würde und die Zukunft der hüpfenden Kids, die man derzeit doch überall hochleben lässt, denkt diesbezüglich irgendwie niemand.

February Seven

Kommentieren

Sie müssen angemeldet sein, um kommentieren zu können.