Alles Nazis – ausser Mutti! Vierter Teil

Gar nicht so lange her, da is der Chef morgens von Zuhause ins Geschäft gefahren, als ihm an der Abbiegung nach Schwarzenberg, wos dann nach Schömberg geht, n seltsamer Konvoi entgegengekommen is, der dann an der Abbiegung in dem Chef seine Richtung abbog, und zwar ein VW-Bus, ein Polizeiauto, die von ner hochamtlichen Polizeimotorradeskorte, – müssen so sieben Maschinen gewesen sein, sachte der Chef – begleitet worden is. In Formation, versteht sich, und mit oberwichtigen blauen Blinklichtern an. Tja, und das hat den Chef dann ziemlich beeindruckt und natürlich hatter sich gefragt, wer wohl hinter den dunkel getönten Scheiben, begleitet von ner oberwichtigen Polizeimotorradeskorte, im VW-Bus durch den Nordschwarzwald gekarrt worden ist, weshalb er dann gleich, alser im Geschäft aufschlug, mal im Internet resche… rescheriert hat, ob irgendne Prominenz bei uns oder in der Gegend hier auf Staatsbesuch is. Aber wen der Chef auch rescherierte, keiner, weder die Queen, der Papst, Donald Trump noch Bob Dylan hatten sich in der jüngsten Zeit hier blicken lassen. Also überlegte der Chefs, obs vielleicht n Inkognito-Staatsbesuch war, wobei ihms dann aber ziemlich schnell dämmerte, dass ein Inkognito-Staatsbesuch mit ner auffälligen und oberwichtigen Motorradeskorte mit den blauen Blinklichtern an ne ziemlich behämmerte Angelegenheit sein müsste. Und gerade als ich dem Chef stecken wollte, dass wahrscheinlich gar kein oberwichtiger Staatsgast in dem VW-Bus gesessen is, sondern nur der Instruktor der Polizeimotorradeskorte, die lediglich ne Übungsfahrt durch den Nordschwarzwald veranstaltet hat, weil selbst oberwichtige Polizeimotorradeskorten eben auch Eskortfahren üben müssen, bevor man sie auf den Papst oder Donald Trump oder andere Typen mit vergleichbarer Wichtigkeit loslässt, bekam der Chef auf eima son staatsmännischen Gesichtsausdruck, denn zwischenzeitlich hatte er durch heftiges Nachdenken herausgefunden, dasses eigentlich nur einen geben kann, der hier über das ausreichende Mass an Wichtigkeit verfügt, um sone oberwichtige Motorradeskorte legie… äh… lektimieren zu können, und das sei schliesslich und endlich niemand anderes als er, der Chef höchstselbst. Tja, das war dann aber ma dumm gelaufen, dass der Chef an diesem Tag n bisschen früher ins Geschäft gefahren ist, denn so hatte er blöderweise seine Motorradeskorte verpasst, die ihn zuhause, so glaubts jedenfalls der Chef, abholen sollte, um ihn und seinen ollen Land Rover mit Blaulicht an zum Flughafen Stuttgart zu begleiten, wo der Chef dann die bereitgestellte Regierungsmaschine aufgrund des derzeitig desolaten Zustands der Luftwaffe höflich aber sicherheitshalber abgelehnt hätte, um Linie und Erster Klasse nach Berlin zu jetten, wo ihm – da war sich der Chef sicher – nach Abschreiten einer Ehrenformation durch den Bundesfö… äh… Bundespräsidenten oder ersatzweise auch durch die Bundesreiseleiterin endlich und hochamtlich das Bundesverdienstkreuz und zwar mitsamt Eichenlaub und Brillanten, versteht sich, ans Revers geheftet worden wär.

Denn schliesslich is der Chef schon seit längerer Zeit und voll überzeugt der Ansicht, dass ihm aufgrund seiner besonderen Verdienste um unser Vaterland schon lange das Bundesverdienstkreuz gebührt. Und erst neulich hatter sich ma wieder tüchtig aufgeregt, als sone Staatsrundfunk-Labertante das Bundesverdienstkreuz angeheftet bekam, auch weil der Bundesfö… äh der Bundespräsident in seiner Lautdatio zum Besten gab:

Wir brauchen Menschen, die Probleme nicht nur beklagen und darauf warten, dass der ‚Staat’ oder die ‚Politik’ sie lösen, sondern die selbst aktiv werden – ganz gleich, ob es um das Leben im eigenen Dorf geht oder um die Zukunft Europas.

Tja, hatte da der Chef gesacht, da kannste mal sehen, die labert doch nur, aber ich mache und die hat son Bundesverdienstkreuz und ich nicht. Und da hat der Chef ausnahmsweise mal recht, denn wenn wir tatsächlich darauf warten würden, dass der Staat oder die Politik oder irgendwelche Staatsrundfunk-Labertanten die Probleme der Pflege lösen würden, wären wir wir schon längst am Ende, denn die Probleme, die wir zu lösen haben, sind ja in erster Linie die Probleme, die durch Politik und Staat ausgelöst worden sind und dann von Staatsrundfunk-Labertanten medial breitgetreten werden. Und die nehmen in letzter Zeit immer monströsere Formen an, da nämlich die Politik inzwischen begriffen hat, dass immer mehr Menschen immer älter werden und somit in dem Alter sind, indem man sich auch immer mehr für Pflege interessieren muss, selbst wenn mans nicht will. Und weil viele unter diesen älteren Menschen immer noch – keiner weiss warum – eine ziemlich Treue zu bestimmten Parteien pflegen, insbesondere zu jenen, die man früher Volksparteien nannte, interessieren sich Politik und Staat und Staatsrundfunk-Labertanten auch immer mehr für uns, die Pflege, sodass derzeit keine Woche vergeht, ohne dass irgendwelche Staatsrundfunk-Labertanten und -onkels eine Laber-Show veranstalten, zu der dann immer die üblichen politischen Problemauslöser und Ahnungslosen eingeladen werden, die dann möglichst sinnbefreit das besprechen, was man medial-wirksam „Pflegenotstand“ genannt hat, und was auch damit zu tun haben soll, dass dem Vaterland, um das sich der Chef ja so verdient gemacht hat, ohne dafür mit einem Bundesverdienstkreuz bedacht worden zu sein, je nach Lesart so zwischen 30.000 und 80.000 Pflegefachkräfte fehlen sollen. Und diese Erkenntnis is ja, so meints jedenfalls der Chef, nicht besonders neu, so wie es auch nicht besonders neu is, dass jetzt die geburtenstarken Jahrgänge älter und damit pflegebedürftiger werden, und somit verdammt viel Nachfrage auf ziemlich wenig Angebot treffen wird, die Zutaten für die zukünftige pflegerische Katastrophe also komplett sind, was mittlerweile auch die politischen Problemauslöser geschnallt haben, die deshalb immer panischer werden und den Pflegenotstand dann zumindest verbal mit immer abstruseren Ideen bekämpfen wollen, wie beispielsweise den Import von Pflegefachkräften aus Albanien, dem Kosovo, Vietnam, den Philippinen oder gar Bhutan. Und da erinnert sich der Chef immer gern an eine Zeit, die leider nur wenige Jahre währte, es muss so um die Jahrtausendwende gewesen sein, da wurde der Chef mit Bewerbungen von Pflegefachkräften geradezu zugeschmissen, die lagen sozusagen bündelweise auf seinem Schreibtisch. Allerdings hatte die Sache damals n gewaltigen Haken, denn es handelte sich um osteuropäische Pflegefachkräfte aus den Ländern, die 2004 der EU beitreten sollten, also Pflegefachkräfte aus Polen, Tschechien, Litauen, Slowakei, Slowenien usw., denen die damaligen Problemauslöser, wie immer gern hoch zu Ross, grosszügigst ein 18 Monate währendes Praktikum in Deutschland zugestehen wollten, damit sie bei uns mal lernen sollten, wie Pflege richtig geht. Diese Fachkräfte konnten sich seinerzeit bei der Zentralen Arbeitsvermittlung, einer Abteilung der Agentur für Arbeit bewerben, welche die Bewerbungen dann auf Nachfrage an deutsche Pflegeeinrichtungen weiterleitete. Und es bewarben sich viele, sehr sehr viele, erinnert sich der Chef, und entgegen der Annahme unserer Problemauslöser entpuppten sich diese osteuropäischen Fachkräfte als bestens ausgebildet und motiviert, nicht wenige kamen sogar mit mehr als nur brauchbaren deutschen Sprachkenntnissen. Somit waren diese Pflegefachkräfte nicht nur eine Verstärkung, sie hätten auch Teil der Lösung sein können für das, was man heute medial-wirksam den „Pflegenotstand“ nennt, denn schon damals mangelte es an Pflegefachkräften in unserem Land und schon damals wusste man, dass der Demphografiewandel oder so unsere Gesellschaft und insbesondere die Pflege vor eine gewaltige Herausforderung stellen wird. Dennoch haben wir seinerzeit bestens ausgebildete Pflegefachkräfte in Massen in unser System eingearbeitet und nach Ablauf der Arbeitserlaubnis und der Aufenthaltsgenehmigung einfach in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, weil unsere Problemauslöser es nunma so wollten. Einige von ihnen kehrten dann als sogenannte „Haushaltshilfen“ in die “legal-illegale” häusliche 24-Stunden-Pflege zurück und nicht wenige von ihnen wurden unter stillschweigender Duldung unserer Problemauslöser als 24 Stunden-Pflegekraft und -Putzfrau und -Babysitter und -Hundegassigeher in Personalunion ohne Sozialversicherung sieben Tage die Woche über Monate hinweg – man kanns nicht anders sagen – ausgebeutet.

Tja, 2004 endete der warme Regen der Pflegefachkraftbewerbungen, die nur 18 Monate bleiben durften, für den Chef ziemlich abrupt. Die Herkunftsländer der „Praktikantinnen“ waren inzwischen EU-Mitglieder geworden und kamen somit auch in den Genuss der so genannten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Aufenthaltsgenehmigungen und befristete Arbeitserlaubnisse gehörten nun eigentlich der Vergangenheit an. Jeder Arbeitnehmer eines EU-Landes konnte seinen Arbeitslatz innerhalb der ganzen EU eigentlich ganz frei wählen. Und auch die ehemaligen „Praktikantinnen“ aus Osteuropa hätten nun einfach mal beim Chef oder anderen Pflegeheimfuzzis durchklingeln können, um ma zu fragen, ob ne Stelle frei is. Jedoch durfte jedes „alte” EU-Land für sich entscheiden, ab wann und in welchem Umfang die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb seiner Landesgrenzen auch für die Arbeitnehmer der „neuen” EU-Länder gelten sollte. Und so kam es dann, dass einige Länder wie England und Schweden ihren Arbeitsmarkt sofort und umfänglich öffneten, andere nur für ausgewählte Branchen und ein Land, welches das kommende Pflegedebakel schon damals deutlich am Horizont erkennen konnte und das dann seit 2005 von der Bundesreiseleiterin äh.. reg… geleitet wurde, die ja ansonsten jeden EU-Mist innerhalb von Sekunden durchwinkt und mittlerweile auch kein Problem damit hat, Hunderttausende junge Männer ohne jede fachliche Qualifikation aus aller Herren Länder ins Land zu holen, versagte Zehntausenden jungen und überwiegend weiblichen Pflegefachkräften aus Europa mit der für ein Land in unserer demphografischen Situation kostbarsten Qualifikation, die man sich überhaupt vorstellen kann, den unkomplizierten Zutritt zu unserem Arbeitsmarkt. Und das bis zum Ablauf der Übergangsfrist: Volle sieben Jahre lang!

Die Pflegefachkräfte, die unsere Problemauslöser heute so schmerzlich vermissen, so dass sie sie in den entlegensten Ecken der Welt nach ihnen suchen lassen, waren also eigentlich fast alle schon mal hier und wurden als Praktikanten in unser System bereits eingearbeitet, und als die legale Möglichkeit bestand, sie als dringend benötigte Verstärkungen willkommen zu heissen – Nurses Welcome! – haben unsere Problemauslöser ihnen die Türe vor der Nase zugeknallt, so dass sie sich anderweitig orientieren mussten und dies auch in grosser Zahl taten, nach England, Skandinavien oder sogar die Schweiz. Insofern ist auch das häufig gehörte Argument, wir dürften keine Pflegefachkräfte aus anderen Ländern importieren, denn dann herrsche in deren Herkunftsländern auch Fachkräftemangel, mal wieder mit dem Weltregierungs-Klammerbeutel gepudert, denn erstens, könnten sie mit den hier verdienten Euros die Volkswirtschaften ihrer Heimatländer unterstützen und zweitens, wenn sie nicht zu uns kämen, gingen sie eben woanders hin. Ist ja schliesslich kein Geheimnis, dass beispielsweise das englische Gesundheitssystem, das National Health System, augenblicklich kollabieren würde, zöge man die von uns seinerzeit verschmähten osteuropäischen Fachkräfte ab, denn allein 62.000 Angestellte im NHS-System sind nunmal EU-Ausländer. Auch lässt der Zuzug kroatischer Arbeitnehmer, darunter nicht wenige Pflegefachkräfte, die ja ab dem 01.07.2015 in den Genuss der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland kamen, erahnen, was der Pflege so an Fachkraftpotential entgangen ist, weil man 2004 versäumte, den deutschen Arbeitsmarkt und wenn auch nur für die Pflegebranche zu öffnen. Derzeit leben und arbeiten so 110.000 Kroaten allein in Baden-Württemberg, davon auch einige Pflegekräfte in einem kleinen unbedeutenden Pflegeheim im Nordschwarzwald. Kroatien ist aber ein relativ kleines Land mit 4,2 Millionen Einwohnern, die osteuropäischen Staaten, die 2004 der EU beitraten, und dessen Pflegekräfte Deutschland verschmähte, bringen es insgesamt auf eine Einwohnerzahl von 72,5 Millionen. Ein riesiges Potential also, das man in Kenntnis des enormen damaligen und kommenden Bedarfes grob fahrlässig liegen gelassen hat. Und da stellt sich natürlich die Frage, ob die Problemauslöser in der Politik 2004 und in den Folgejahren genauso agiert hätten, wenn beispielsweise durch die Autoindustrie Fachkräftebedarf angemeldet worden wäre. Und da sind dann doch Zweifel angebracht und die werfen ein beredtes Licht, sagt jedenfalls der Chef, auf die Wertigkeit, welche man seinerzeit seitens der Politik der Pflege beimass, als massgebliche Wählerschichten noch 14 Lebensjahre jünger waren. Aber heute noch sitzt die deutsche Politik auf dem hohen Ross, was der Chef regelmässig erfahren darf, wenn er versucht, die Berufsabschlüsse auch eu-ausländischer Pflegefachkräfte, die ihre Ausbildung vor dem Beitritt ihrer Länder zur EU abgeschlossen haben, anerkennen zu lassen, damit sie ihren Beruf überhaupt erst bei uns ausüben dürfen. Und zwar läuft die Anerkennung bei uns nämlich so, dass die Oberschwester die neue Mitarbeiterin in der Praxis prüft, und wenn unsere Oberschwester sagt, das is ne 1 A Pflegefachkraft, dann is das ne 1 A Pflegefachkraft, weshalb wir dann die Papiere der Mitarbeiterin an das Regierungspräsidium schicken, wo ein Sachbearbeiter sitzt, der von Pflege sicherlich viel weniger Ahnung hat, als unsere Oberschwester, aber dennoch entscheidet, dass es sich bei der Mitarbeiterin um eine 1 B Pflegefachkraft handeln muss und 1 B Pflegefachkräfte in unserem Vorzeigestaat nunmal nicht sofort anerkannt werden, sondern sich entscheiden müssen, ihre Fachkenntnisse in einer Prüfung nachzuweisen oder in einem mehrmonatigen Praktikum in verschiedenen Krankenhäusern nachgeschult zu werden. Und weil die allermeisten osteuropäischen Pflegefachkräfte zwar ganz passabel deutsch sprechen, aber vor einer Fachprüfung in der für sie fremden Sprache dann doch Bammel haben, entscheiden sich einige für das Praktikum, was den Chef dann jedes Mal ausgesprochen freut, bedeutet das doch für ihn, dass er der Mitarbeiterin mehrere Monate Lohn zahlen muss, um sie für ein Praktikum an Kliniken zu überstellen, die aufgrund des segensreichen Wirkens der Problemauslöser chronisch pflegenotständig sind, und die der Mitarbeiterin nicht nur keinen Cent Gehalt zahlen sondern auch noch versuchen werden, sie abzuwerben, wenn sie erst mal gemerkt haben, dass es sich eben doch um eine 1 A Pflegefachkraft handelt. Wobei es aber manchmal noch schlimmer kommen kann, da manche osteuropäischen Länder in Unkenntnis der einzig wahren deutschen Pflegeausbildungsstandards sich doch tatsächlich erdreisten, ihre Pflegeschüler generalisiert auszubilden, das heisst die Mitarbeiterin hat zwar die Pflegeausbildung durchlaufen, sich jedoch zuletzt für die Abschlussprüfung als Hebamme entschieden. In diesen Fällen hilft dann auch keine Nachprüfung mehr, das heisst die Mitarbeiterin muss dann nochma volle zwei Jahre auf die deutsche Pflegeschule, was den Chef dann noch mehr freut, weil er natürlich weiterhin den vollen Lohn blechen kann, während die Mitarbeiterin die Hälfte der Zeit ihrer Doppelausbildung, also ein Jahr lang, damit beschäftigt ist, auf der deutschen Pflegeschule das nochmal zu lernen, was sie eigentlich, fragt man die Oberschwester, schon längst kann. Wobei das dann aber auch immer noch besser is, als wenn der Chef mal wieder einen unterschriebenen Arbeitsvertrag von uns mit dem Balkan-Bus in ein Nicht-EU-Land schickt, damit die damit bedachte Pflegefachkraft bei der deutschen Botschaft vorstellig wird, um bei Vorlage des Arbeitsvertrages eine Arbeitserlaubnis für Deutschland zu erhalten, was blöderweise und mittlerweile bis zu einem Jahr oder länger dauern kann.

Tja, und so siehts aus im Land. Das machen unsere Problemauslöser mit den von uns dringend benötigten Pflegefachkräften, über deren eklatanten Mangel sie zusammen mit den Staatsrundfunk-Labertanten mindestens einmal wöchentlich in den Laber-Shows lamentieren: Sie lassen sie monatelang warten, sie degradieren sie mal wieder zu Praktikanten oder verweisen sie gleich ganz zurück auf die Schulbank. Offenbar hat sich in Berlin noch nicht herumgesprochen, dass Deutschland zwar Sitz der moralischen Weltregierung ist, aber dennoch nicht allein auf der Welt, andere Länder beklagen auch einen Fachkräftemangel in der Pflege und stellen sich nicht so dämlich an.

Dabei habbich dem Chef noch gar nicht gesagt, dass die Rettung nicht mehr fern ist, ich hab nämlich im Internet gelesen, dass die Regierung oder zumindest drei Minister jetzt eine konzertierte Aktion für die Pflege gestartet haben, um den Pflegenotstand zu bekämpfen. Einer von denen fahndet – wie gesagt – nach Pflegefachkräften in Albanien und im Kosovo, kleine Länder, die unser Fachkräfteproblem niemals lösen werden, eine andere will dafür sorgen, dass Pflegeheime weniger Gewinn erwirtschaften, was den Chef sicher grämen wird, der hat sich doch bestimmt schon ne 25-Meter-Yacht mit eigenem Hubschrauber-Landedeck bestellt, weil der weiss ja gar nicht mehr wohin mit den ganzen Millionen, die er damit verdient, ausländischen Pflegefachkräften sinnlose Praktika und doppelte Ausbildungen zu finanzieren, und der dritte meint, die Pflegefachkräfte müssten unbedingt mehr verdienen, womit er ja tendenziell recht hat, allerdings müssten dazu die Heimkostensätze erhöht werden und da weiss ich nicht, ob der konzertierte Retter denn über das Treiben seiner Kollegen, der anderen Problemauslöser informiert ist, die dem Chef momentan heftig zusetzen, weil sie die Umsetzung der Landesheimbauverordnung einfordern, was, wie der Chef jetzt weiss, einen ganzen Rattenschwanz an zusätzlichen Kosten nach sich ziehen wird. Denn erstma müssen landesweit die Doppelzimmer weg, denn Doppelzimmer sind böse, sagt jedenfalls der Landesseniorenrat, der anscheinend auch die Parole „Nach uns die Sintflut!“ ausgegeben hat, dann brauchen wir Einzelzimmer  opulenter Grössen, die wir und andere Heime nicht haben, weswegen wir und viele andere Heime Gebäudeteile abreissen und gänzlich neu bauen müssen. Weitere Einzelzimmer im Bestand werden geopfert, um aus ihnen Funktionsräume und offene Teeküchen zu machen, was natürlich zusätzliche und teure brandschutztechnische Baumassnahmen auslöst. Und dann – na klar! – latscht noch irgendson Heini vom Arbeitsschutz durch die Einrichtung und verordnet von Amts wegen grössere Pausenräume und Umkleideräume, die alle schön belüftet sein müssen, sowie nach Geschlechtern getrennte Mitarbeiterduschen für die Pflege und die Hauswirtschaft und gendergerechte Mitarbeiterklos. Und da is dann sogar dem Chef der Kragen geplatzt, der ja sonst echt n tiefenentspannter Typ ist, sodass er dem Landratsamt unter anderem schrieb:

„Noch sind wir eine Facheinrichtung für Pflege. Wenn Ihre Behörde mit uns fertig ist, sind wir eine Facheinrichtung für Funktionsräume, Teeküchen, Umkleideräume, Pausenräume und nach Geschlechtern getrennte Duschen. Viel sinnlose Fläche, die wirtschaftlich nicht betrieben werden kann.“

Und das hat natürlich nix gebracht, weil das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde nämlich nix zu melden hat und nur den Mist durchdrücken muss, den sich die Problemauslöser in Stuttgart, Berlin und Brüssel ausgedacht haben und der an der tatsächlichen Praxis eines Pflegeheims meilenweit vorbeigeht.

Tja, und da fragt man sich schon, meinte der Chef, wie wirs eigentlich die ganzen Jahre geschafft haben, ne mehr als nur ordentliche Pflege- und Betreuungsqualität abzuliefern, ohne diese ganzen Schei.. äh ohne diese ganzen blödsinnigen Auflagen, denn eigentlich haben wir ja schon alles da, also ne Teeküche für die Bewohner, Funktionsräume um Putzsachen und Windeln und Bettwäsche zu lagern, ausserdem ne Personaldusche, in der in 15 Jahren nicht einmal geduscht worden ist, Toiletten ohne Ende, natürlich auch barrierefrei, Umkleide- und Pausenräume und ausserdem bereits jetzt hunderte Quadratmeter therapeutische Flächen für die Betreuung unserer Bewohner. Trotzdem müssen wir das Haus bei laufendem Betrieb komplett umbauen, weil die Mitarbeiterduschen nicht ausreichend und zudem nicht nach Männlein und Weiblein getrennt sind, weil die Funktionsräume und Teeküchen zwar vorhanden, aber nicht am vorgeschriebenen Ort sind und weil die Umkleide- und Pausenräume nicht den neuesten EU-Bestimmungen entsprechen. Und das alles kostet natürlich n Haufen Geld, sagt der Chef, einen Haufen Geld, das ausgegeben werden muss, um danach weniger Pflegeplätze und damit weniger Umsatz zu haben, weil ja viele bereits finanzierte Pflegeplätze für neue Einzelzimmer, Teeküchen, Funktionsräume, Mitarbeiterduschen, Pausen- und Umkleideräume drauf gehen werden. Und weil das alle im Land machen müssen, weil wir ja jetzt alle Pflegeeinrichtungen für mächtig viel Kohle bereits finanzierte Pflegeplätze abbauen, um danach Facheinrichtungen für Funktionsräume, Teeküchen, Umkleideräume, Pausen und Mitarbeiterduschen sein zu dürfen, wird die Pflege im Land zwangsläufig teurer werden, da die Kosten für diesen Wahnsinn auf ziemlich viel weniger Pflegeplätze umgelegt werden müssen. Da hilft es auch nicht, dass neue Pflegeheime gebaut werden könnten, um die zu erwartende Versorgungskrise abzuwenden, denn die müssen ja auch nach diesen teuren Vorgaben bauen und ausserdem noch die vielerorts stark gestiegenen Kosten für die Grundstücke einpreisen, die schon jetzt die Finanzierbarkeit von Pflegeheimen in den Ballungsräumen verunmöglichen. Das alles wird die Preise der Pflege treiben und damit die finanziellen Spielräume auffressen, die man bräuchte, um die Idee der konzertierten Retter umzusetzen und den Verdienst der Pflegekräfte signifikant zu erhöhen.

Und das ist genau das, was der Chef immer meint, wenn er sagt: “Die Art von Pflege, die wir haben, ist genau die Art von Pflege, die politisch gewollt ist.” Es gibt kein echtes politisches Interesse daran, die Pflege zu verbessern, es gibt letztlich immer nur ein politisches Interesse daran, sich bestimmten Wählerschichten anzudienen, indem man ihnen Pflegeheime verspricht, von denen man glaubt, dass sie so und nicht anders von eben diesen Wählerschichten gewünscht sind. Und da diese Wählerschichten grösstenteils komplett ahnungslos sind, was Pflege angeht, konzipiert man also neue Pflegeheime nach den vermeintlichen Vorstellungen von komplett Ahnungslosen und lässt die kommende Generationen für dieses nicht nur pflegerische sondern auch noch volkswirtschaftliche Desaster finanziell bluten. Und weil die Form oder der räumliche Charakter der baden-württembergischen Pflegeheime jetzt bis Detail vorgeschrieben ist, wird die Pflege im Land auch gleichförmiger, da sich der Betrieb einer Pflegeeinrichtung oder deren Funktion nunmal in einem bestimmten Masse nach der Form zu richten hat, und so wird die Pflegelandschaft im Land funktional gleichgeschaltet, verliert sie an Vielfalt und unterdrückt alternative Ideen gleich im Keim. Zudem belastet diese Gleichschaltung der Pflege bei gleichzeitiger Verteuerung und Verkomplizierung vor allem die kleinen freien Pflegeheime zusätzlich, die ohnehin mit der Umsetzung der ganzen behämmerten Verordnungen und Auflagen zu kämpfen haben, die in den letzten Jahren förmlich explodiert sind, da die Problemauslöser wirklich jeden Mist eins zu eins durchgewunken haben, den sich die EU oder Berlin oder Stuttgart oder die dahinterstehenden Lobbys ausgedacht haben, und zu deren Umsetzung die grossen Frei-Gemeinnützigkeits-Konzerne, wie Caritas und Diakonie, oder die grossen privaten Ketten, sich eines schlagkräftigen Apparates bedienen können, der in den Konzernzentralen für jede ihrer Einrichtungen eine passende Lösung à la carte strickt, wohingegen die kleinen Einrichtungen sich ihre Lösungen selbst erarbeiten müssen, was meistens sehr zeit-, geld- und personalaufwendig ist. Und weil die Problemauslöser, was die Pflege angeht, derzeit ungeheuer kreativ sind wegen dem Wahl-Dings, werden immer mehr Ressourcen in den Pflegeeinrichtungen zweckentfremdet gebunden, die eigentlich der Pflege zu Gute kommen sollten. Der Chef denkt ja immer, die Politikheinis hätten noch nicht begriffen, dass sie ihn eigentlich bräuchten, also so Typen wie ihn, die sich um die Pflege nen Kopf machen, sich täglich durch einen immer dichter werdenden Drahtverhau aus bescheuerten Vorschriften kämpfen und gleichzeitig eine Pflegefachkraft nach der anderen ausbilden oder aus anderen Ländern importieren, um diesem Land, ganz selbstlos versteht sich, eine anerkannte Pflegefachkraft nach der anderen zu schenken, weshalb der Chef ja auch tatsächlich glaubt, dass son Bundesverdienstkreuz bei ihm wesentlich besser aufgehoben wär, als bei soner Staatsrundfunk-Labertante. Aber leider is das Gegenteil der Fall, die Problemauslöser brauchen den Chef nämlich gar nicht und das wissen die auch, weil so Typen wie der Chef, die immer noch nicht begriffen haben, dass es bei dem ganzen Käse eigentlich gar nicht mehr um Pflege geht, machen immer nur Ärger, da läufts mit den Konzernen wie den so genannten Frei-Gemeinnützigen oder den privaten Ketten schon wesentlich geschmeidiger, weil da wissen die Problemauslöser, denen Pflege an sich schniezpupsegal is, woran sie sind. Und dementsprechend verändert sich nach und nach die Pflegelandschaft im Land. Schon heute ist die grösste private Pflegeheim-Kette in französischer Hand, die Amis sind auch schon im „Markt“ und die Chinesen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Da bin ich aber mal gespannt, was dann die kommunale Heimaufsicht oder der MDK sagen werden, wenn sie in so einem chinesischen Heim stehen, um irgendwelche Missstände zu untersuchen und der angestellte Heimleiter drückt denen erstma die Visitenkarte der Rechtsabteilung in Frankfurt am Main in die Hand, während der grosse Boss in der Firmenzentrale in Beijing aber sowas von gar nicht zu erreichen ist.

Tja, und bisses so weit is, machen wir das, was wir am besten können, wir machen Pflege und versuchen dieses behämmerte System eben zu unterleben, so gut es nur geht. Und dabei macht der Chef echt Fortschritte, hat sich sogar schon überlegt, was wir in Zukunft mit den neuen Teeküchen anstellen werden, nur eine Sache, die wurmt den Chef immer noch, und das is die Sache mit den Doppelzimmern. Denn natürlich hat der Chef kein Problem damit, dass Doppelzimmer in Einzelzimmer umgewandelt werden, weil Plätze in Doppelzimmern ohnehin selten nachgefragt werden, ab und zu mal von Pärchen und Ehepaaren oder Menschen mit Angststörungen, aber dennoch: Kategorisch alle Doppelzimmer aufzugeben, ist nicht unbedingt so ne gute Idee, meint jedenfalls der Chef, denn wir brauchen dringend einen gewissen Anteil an Doppelzimmern für einen bestimmten Anteil unserer Bewohner, und das sind die Menschen, die sich in der Spätphase der Demenz befinden, die also hirnorganisch sehr stark abgebaut, die immobil und schwerst pflegebedürftig und für herkömmliche therapeutische Massnahmen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt erreichbar sind. Diese Bewohner nehmen ihre Umgebung kaum noch bewusst wahr, können sich nicht mehr adäquat äussern und sind auch nicht zu ihrer Person oder bezüglich ihrer Umgebung orientiert, reagieren aber immer noch auf die Stimulation durch basale Reizung aller fünf Sinne, also beispielsweise auf Berührungen, Düfte, Massagen, Töne, Geschmacksaktivierungen oder Lichteindrücke. Das Setzen von Wahrnehmungserfahrungen auf dieser sehr rudimentären Ebene, die an vorgeburtliche Erfahrungen anschließen soll, bleibt in der letzten Phase der Demenz zumeist der einzige verbliebene Kommunikationskanal, der es uns ermöglicht, so etwas wie Lebensqualität und Geborgenheit zu vermitteln oder einfach nur zu „sagen“: Du bist nicht allein! In diesem Sinne begreifen wir auch das Doppelzimmer für diesen begrenzten Bewohnerkreis mit diesen sehr eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten als ein letztes therapeutisches Mittel der Wahl, da wir nämlich keine 24 Stunden-Einzelbetreuung leisten können. Zwei Bewohner in der Endphase der Demenz in einem Doppelzimmer haben sehr wohl einen gewissen co-therapeutischen Effekt, da sie sich gewissermassen gegenseitig versichern: Du bist nicht allein!, weil schon ihre Lebensäusserungen wie Atemgeräusche, Körperbewegungen als auch die Geräusche der Pflegekräfte und Therapeuten, die sozusagen doppelt so viel Zeit im Zimmer verbringen, eine permanente und affektiv wahrgenommene Nähe konstruieren, die sehr basal empfunden wird und die Angstzuständen, Unruhe und Einsamkeit vorbeugen kann. Tja und so wie wir das sehen, sehen das auch andere Pflegeeinrichtungen und eine davon hat sich beharrlich geweigert, die Forderung der Landesheimbauverordnung, wonach alle Doppelzimmer über kurz oder lang abgebaut oder in Einzelzimmer umfunktioniert werden sollen, umzusetzen und hat dabei auch auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen lassen mit der Heimaufsicht, welche ja die Forderungen des grün geführten baden-württembergischen Sozialministeriums auf kommunaler Ebene durchsetzen soll. Das renitente Pflegeheim weigerte sich, die Doppelzimmer abzubauen mit der exli… äh expliziten Begründung, diese würden dringend benötigt, um bei Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium Angstzuständen vorbeugen zu können. Und da fragte die Heimaufsicht nach im Sozialministerium, was sie denn mit dem renitenten Pflegeheim machen sollten, weil die wollen ihre Doppelzimmer nicht rausrücken, und da sagten die im Sozialministerium, Momentchen, wir rufen mal bei der Universität Heidelberg an, die haben doch sicher ein Gutachten für uns oder so was ähnliches – denn mit Gutachten kennen die Grünen sich ja bestens aus – und schwuppidiwuppdi schickten die von der Uni auch gleich zwei Schreiben raus, in denen drinne steht… äh… in denen steht… äh drinne… ähh… Chef?

Mmmmhja?

Was steht in den Gutachten nochma drinne? Du hast die doch gelesen oder nicht?

Du meinst in den Stellungnahmen vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg?

Genau.

Die habbich gelesen. Das sind zwei Schreiben, zum ein Anschreiben vom Chef des Instituts, einem Professor Doktor Diplom-Psychologe, und dann noch son Geschwurbel von ner Wissenschaftlichen Assistentin, einer Diplom-Gerontologin. Beide Stellungnahmen gehen tatsächlich explizit auf die Frage ein, ob sich die Lebensqualität von Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium im Doppelzimmer verbessern lässt, auch weil sie dort besser vor Einsamkeit geschützt seien.

Und sindse?

Glaubst Du wirklich das Sozialministerium fordert eine Stellungnahme in dieser Frage von der Universität an und dann steht da die Wahrheit drin? Aber im Einzelnen: Das Gutachten der Gerontologin versteht die Autorin selbst als „Eine normativ-ethische Begründung“, sie bezieht sich hierbei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg aus dem Jahre 2011, welches die Landesheimbauverordnung seinerzeit durchgewunken hat, sie definiert in der Einleitung ihre methodische Vorgehensweise deshalb wie folgt:

“Die Begründung des VHG [sic!] soll im Folgenden normativ-strukturell diskutiert werden und in ihren anhängigen gerontologischen wie auch ethischen Zusammenhängen wissenschaftlich erörtert werden.“ (1)

Ihre Erörterung stützt sich empirisch im Wesentlichen auf eine Feldstudie von Lang et al.: „Das Einzelzimmer im Alten- und Pflegeheim. Abschlussbericht im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. (2007)“, was auch vernünftig ist, da diese Arbeit die Ergebnisse einer gründlichen Literaturanalyse sowie die Auswertungen der Befragungen und Beobachtungen von Bewohnern, aber auch Pflegekräften, Angehörigen und Heimleitern von immerhin 12 Pflegeeinrichtungen präsentiert, also mithin wesentlich breiter und fundierter aufgestellt ist, als die 14 dürren Seiten der „normativen-ethischen Begründung“ selbst. In dieser Feldstudie kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der ganz überwiegende Teil der Heimbewohner sich bei Heimaufnahme ein Einzelzimmer wünscht, es aber dennoch – entgegen der Auffassung der baden-württembergischen Landesregierung – auch einen Personenkreis gibt, welcher von den Autoren auf 10-15% der Heimbewohner geschätzt wurde, der ein Doppelzimmer bevorzuge:

„In der Zusammenschau ergibt sich somit ein eindeutiges Bild, nach dem die Vorteile von Einzelzimmern in der Regel überwiegen. Allerdings gibt es auch einzelne Hinweise, nach denen beispielsweise bei guter Beziehungsqualität und Freundschaft zwischen Mitbewohnern das Doppelzimmer bei gleichzeitiger gesundheitlicher und kognitiver Indikation durchaus eine hohe Lebensqualität für die älteren Menschen gewährleisten kann.“ (6)

„Zugleich weisen die Befunde darauf hin, dass es auch in Zukunft weiterhin Bedingungen geben wird, unter denen in einem geringen Umfang weiterhin Doppelzimmer in Alten- und Pflegeheimen grundsätzlich nachgefragt und vor Einzelzimmern bevorzugt werden.

(…)

Die Literaturanalyse wie die eigene Studie legen die Schlussfolgerung nahe, dass eine solche Präferenz vor allem dann besteht, wenn die Entscheidung von den (Mit-) Bewohnern und -bewohnerinnen des Doppelzimmers gemeinsam auf der Basis einer langjährigen Freundschaft oder hohen Beziehungsqualität, ohne ökonomische Zwänge und vor allem im Hinblick auf das Bedürfnis nicht alleine zu liegen, getroffen wird.“ (74)

Dieser Ansicht schliesst sich die Heidelberger Gerontologin zunächst an:

„Es gibt einige Fälle, in denen Doppelzimmer gewünscht sind oder sinnvoll erscheinen: Die Belegung mit (Ehe)paaren, Geschwistern, möglicherweise auch durch Freundschaft verbundene Personen“ (4)

Und:

„Das Austarieren von selbstbestimmter Privatheit und Nähe erfordert, das Einzelzimmer zur Grundausstattung des Heimes zu bestimmen, weil es Privatheit zunächst aus gerechten Gründen herstellen lässt. Für weitere Vergemeinschaftsformen müssen Doppelzimmer und Wohnzimmer als akzessorische Varianten hinzukommen, weil sie auf räumlicher Ebene das menschliche Nähemotiv unterstreichen und fördern.“ (14)

Auch der Institutsleiter lässt in seinem Anschreiben immerhin noch die Möglichkeit für Doppelzimmer offen, sofern sie von allen Betroffenen gewünscht seien. Beide aber, Institutsleitung und Wissenschaftliche Mitarbeiterin, schliessen jedoch Doppelzimmer als eine Möglichkeit zur Vermeidung von Einsamkeit oder Angstzuständen für Menschen mit Demenz auch im fortgeschrittenen Stadium kategorisch aus. Der Institutsleiter begründet seine Erkenntnis durch ganz ganz viele Studien, die er aber leider nicht nennt bzw. bezeichnen kann, was somit eine Nachprüfung ausschliesst. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin begründet immerhin wie folgt:

„Die Behauptung, dass Menschen mit Demenz ein besonderes Nähebedürfnis haben und in Doppelzimmern besser vor Einsamkeit geschützt seien, lässt sich generell nicht bestätigen. In Studien konnte bewiesen werden, dass der Umzug einer Demenzstation in Einzelzimmer zu einer Reduktion von Agitation und Verhaltensauffälligkeit und verbessertem Schlaf führte (vgl. hierzu Morgan & Stewart [sic!]). Diese Ergebnisse lassen sich mit der Crowding – These stützen, wonach eine höhere soziale Dichte mit Reaktionen wie Aggression, Vermeidung oder Hilflosigkeit verbunden ist. Zudem konnte in der Feldstudie von Lang u.a. (2007) nachgewiesen werden, dass sich Bewohner von Doppelzimmern und Einzelzimmern nicht in der Häufigkeit ihrer Kontakte unterscheiden, Doppelzimmer diese also nicht begünstigen, wie Pflegekräfte oder Heimbetreiber irrtümlicherweise oft meinen (a.a.O.) [sic!] [sic!]“ (4)

Tja, da kannste mal sehen, wir Doofis aus den Pflegeheimen „meinen” mal wieder und haben natürlich keine Ahnung. Wir machen das ja erst seit ein paar Jahrzehnten. Wobei es nur in diesem kleinen Absatz neben formalen Fehlern auch noch inhaltliche Problemchen gibt. Und zwar haben all diese Problemchen was mit dem Wörtchen „generell“ zu tun. „Generell” gibt es nämlich in der Demenz nicht, die Krankheit hat einen Verlauf und damit unterschiedliche Phasen. Und jede dieser Phasen kennt unterschiedliche Pflege- und Betreuungsbedarfe. Von daher nimmt es nicht Wunder, dass die Menschen mit Demenz der Demenzstation aus der zitierten Studie, welche auf den Interviews von neun Pflegekräften beruhte, die aus Mehrbettzimmern in Einzelzimmer umzogen, weniger „agitieren“ und „verhaltensauffällig“ sind und mehr Zeit für sich in der Privatheit eines Einzelzimmer verbringen, denn offensichtlich befanden sie sich zwar schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit, waren aber im Gegensatz zu den Erkrankten in der Endphase noch mobil und verfügten auch noch über differenzierte Kommunikationsmöglichkeiten, denn sonst hätten sie kaum „agitieren“ oder „verhaltensauffällig sein” können. Dass Menschen mit Demenz in diesen Phasen der Krankheit sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben können, wenn sie auf zu engem Raum und ohne fachgerechte Moderation zusammen sind, ist eigentlich eine Binsenweisheit und muss nicht noch durch einen schrägen Verweis auf irgendeine „Crowding – These“ untermauert werden. Auch der Verweis der Autorin auf die Feldstudie von Lang et al. ist wenig hilfreich, da die Autoren der zitierten Feldstudie “Soziale Kontakte“ wie folgt definieren:

„Als sozialer Kontakt wurde allerdings nur angesehen, wenn sich zwei Personen unterhalten oder beschäftigt haben.“ (56)

Was wiederum eine differenzierte Form des „Sozialen Kontaktes“ oder der Kommunikation beschreibt, die Menschen in der Endphase der Krankheit aus genannten Gründen leider nicht mehr möglich ist. Die Autorin verweist somit auf empirische Studien, die keinerlei empirische Belege dafür liefern, dass sich die Zusammenlegung von zwei Menschen im Endstadium der Demenz in einem Doppelzimmer, die zu keinen Sozialen Kontakten im obigen Sinne mehr fähig sind, bezüglich der „Lebensqualität“ negativ auswirkt. Dabei hätte die Autorin sehr wohl Belege dafür finden können, dass selbst Menschen mit noch nicht so weit fortgeschrittener Demenz durchaus mehr Lebensqualität in einem Doppelzimmer erfahren könnten. In der von ihr viel zitierten bayerischen Feldstudie analysieren die Autoren auch die Ergebnisse vorangegangener Studien, darunter auch die von der Heidelberger Autorin genannte Studie über die umziehende Demenzstation und hier findet sich auf Seite 27:

“In beiden Studien ergibt sich ein konsistentes und weitgehend übereinstimmendes Bild, das sich wie folgt zusammenfassen lässt:

(…)

Für einige Bewohner bedeutete der Zwangsumzug (in ein Einzelzimmer – rp) auch einen Verlust an Beziehungsqualität, wenn die Demenzkranken gut miteinander auskamen. Ein zentrales Problem stellt dabei die Trennung von Paaren da.“

Und da fragt man sich dann schon, warum die Heidelberger „normalen“ Heimbewohnern zwar das „Recht“ auf ein Einzelzimmer einräumen, wenn sie dies wünschten, dieses Recht aber gleichzeitig den Menschen mit Demenz „generell” verweigern. Und wenn die Empirie schon nicht viel oder gar nichts hergibt, muss man sich eben was einfallen lassen, also schwurbelt frau in der „normativ-ethischen Begründung“ mal schnell eine “Nähe-Norm” daher, die so unglaublich wichtig ist, dass sich weitere kritische Nachfragen als Ausdruck ketzerischer Blasphemie schon von selbst verbieten sollen:

„Die Norm der Nähe meint ein vielgestaltiges Konstrukt, das Konzepte wie Reziprozität, Zuwendung, Verpflichtung, Sorge oder auch Mitverantwortung umfasst.“ (3)

Und:

„Doch die Nähe-Norm ist eine gewichtige Kategorie, der anthropologische, psychologische, soziologische und philosophische wie auch theologische Bedeutung zukommt.“ (4)

Und wie das mit der vielgestaltigen “Nähe-Norm” nun mal so ist, erlaubt sie nur „normalen“ Pflegeheimbewohnern, die entweder familiär oder freundschaftlich miteinander verbunden sind, die Zusammenlegung im Einzelzimmer:

„Diese Konstellationen unterliegen alle der Nähe-Norm und setzen ein erhebliches Nähebedürfnis voraus. Damit ist auch gemeint, dass kein pflege-fachliches Urteil über das Nähe-Motiv hinausgehen kann, d.h. über die wohlbefindensfördernde Wirkung eines Zimmergenossen (oder eben auch nicht).“ (4)

Tja, und das kann man jetzt erheiternd finden oder eben auch nicht, aber Tatsache ist, dass mit Hilfe dieser „normativ-ethischen Begründung“ – einer Arbeit, die weder inhaltlich noch formal und zu keinem Zeitpunkt Proseminar-Qualität erreicht, inhaltlich nicht, da sie empirische Belege ignoriert, die Krankheit Demenz hinsichtlich deren Verlaufsphasen als auch deren Bedarfe nicht kritisch differenziert und ansonsten nur pseudo-philosophisches Geschwafel zu bieten hat, und formal nicht, da Quellenhinweise fehlerhaft gesetzt werden, die Zitierhinweise zudem in ihrer Form nicht kontinuierlich durchgehalten und zumindest in einem Falle im Text eine Quelle angegeben wird, die sich dann aber nicht im Literaturverzeichnis finden lässt – den baden-württembergischen Pflegeeinrichtungen ein sehr wichtiges Instrument der Pflege und vor allem der Betreuung von Menschen im Endstadium der Demenz, das Doppelzimmer, auf Geheiss der Landesregierung genommen wird, da natürlich kein Gericht und vor allem nicht in Deutschland eine Stellungnahme ignorieren kann, auf dessen Anschreiben unübersehbar gross das Wappen der Universität Heidelberg prangt, und sei der Inhalt der Stellungnahme noch so abstrus und die Form noch so schlampig. Und das ist natürlich dreist und das hat dann auch Folgen für die betroffenen Bewohner, die zudem ungeheuerlich sind, denn Menschen im Endstadium der Demenz sind so hilflos und schutzbedürftig wie neugeborene Kinder. Kein Mensch, der noch einigermassen bei Trost ist, würde ernsthaft fordern, neugeborene Kinder über Stunden in Einzelzimmern zu isolieren, weil irgendeine “Nähe-Norm” das so gebietet, also eine abstrakte Idee auf das konkrete Schicksal eines wehrlosen Menschlein im Bett herunterzubrechen, sondern vielmehr das konkrete praktische Gebot vor Ort, das tatsächliche und menschlich empfundene Nähebedürfnis auch zum abstrakten ethischen Gebot zu erheben, das uns sagt, uns sagen muss:

Wir lassen dich nicht allein.

Die reformpflege geht jetzt in die Sommerpause und meldet sich im September wieder. Und natürlich wird “Alles Nazis – ausser Mutti!” fortgesetzt. Bis es so weit ist, hilft wie immer ein bisschen Musik, vor allem, wenn sie so schön passend heisst:

Howling At Nothing

Die Autokorrektur hat “durchgewunken” beharrlich und immer wieder durch “durchgewinkt” ersetzt. Irgendjemand ist also der Meinung, dass “durchgewinkt” richtig zu sein hat. Das ist uns aber egal, denn wir finden “durchgewunken” schöner.

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