Freiheit für Uli Hoeneß! – Teil 2

Teil 2

Die Eskalation der Dreistigkeiten schafft immer neue Stereotypen, einfache Bilder, die sich jeder Komplexität entledigt haben, der scheinheilige Moralapostel, der gierige Manager, der korrupte Politiker, die im Kern eigentlich immer dasselbe Stereotyp sind, eine ursprünglich positiv besetzte Figur, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung in ihr Negatives verkehrt hat, eine im Grunde immer gleiche Empörungsprojektionsfläche, die bei jeder Eskalationsstufe nur durch noch dreistere Varianten des Stereotyps abgelöst werden, wodurch die älteren Empörungsprojektionsflächen ihre Empörungswirkung nicht nur allmählich verlieren, da die Reizschwelle durch immer noch empörendere Varianten des Stereotyps immer noch höher gesetzt wird, was bei vielen Menschen – bei dem einen früher, dem anderen später – eine gewisse Abstumpfungsdekompensation auslöst, sodass sie tatsächlich irgendwann glauben oder glauben wollen oder glauben wollen müssen, was sie sagen oder denken:

“Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles getan wird.”

Und weil sie ja eigentlich wissen, dass dem nicht so ist, da ja gerade die Unvermeidlichkeit der Stereotypen sie in diese Geistesverfassung getrieben haben, handelt es sich bei eben solcher, der Geistesverfassung, um eine durch Stereotypen ausgelöste Stereotypie, das ist (nicht nur nach Wikipedia): “…eine Verhaltensanomalie in Form von wiederholten und ständig gleichbleibenden Handlungen ohne Ziel oder Funktion, die der konkreten Umweltsituation nicht entsprechen und häufig zwanghaften Charakter tragen.”, dergestalt, dass sie sich immer wieder bestätigen:

“Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles getan wird.”

Womit wieder neue Dreistigkeiten ausgelöst werden, weil die Stereo-Typen verstehen, dass sie sich diese leisten können, da immer mehr Menschen durch eben diese neue Dreistigkeiten eine Abstumpfungsdekompensation erleiden und mantrahaft vor sich hin murmeln werden:

“Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles getan wird.”

Eine Spirale der Abstumpfung, welche die Reizschwelle der Empörung in immer höhere Sphären schraubt, immer mehr Empfindlichkeit abtötet und somit eben durch die ständig steigende Reizschwelle auch ein ständig wachsendes Reich der Abgestumpftheit unterhalb der Reizschwelle schafft. Ein gutes Beispiel ist auch hier die Geschichte des Euro, der von Helmut Kohl wie ein Diktator (O-Ton Kohl) gegen die grosse Mehrheit der Deutschen eingeführt wird, bald schon als Teuro verschrieen ist, tatsächlich aber durch einen zu hohen Einführungswechselkurs zur Deutschen Mark zunächst deutsche Produkte verteuert und somit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands herabsetzt, was erst durch langjährige Lohnzurückhaltung der Bevölkerung korrigiert werden muss, bevor 2007 die Bankenkrise als Menetekel der ab 2009 einsetzenden Eurokrise am Horizont erscheint, die wiederum in ihrem bald schon chronisch zu nennenden Verlauf all die Konstruktionsmängel der Gemeinschaftswährung spätestens ab 2011 für Jedermann offenbar werden lässt, da die wechselseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen und finanzpolitischen Kausalitäten zwischen den einzelnen Staaten im Euro-Raum aber schon so komplex und damit die Folgen von wieauchimmer gearteten Korrekturen der Konstruktionsmängel des Euro so unkalkulierbar geworden sind, dass ein durchwurschtelndes “Weiter so” den politisch Verantwortlichen mit zunehmenden Schweissperlen auf der Stirn tatsächlich alternativlos erscheint, weshalb dann zunächst mittels einer Niedrigzinspolitik die Märkte mit billigem Geld geflutet werden, in der Hoffnung somit wieder mehr Investitionen in den Krisenländern auslösen zu können, und als der Erfolg dieser Massnahme zu wünschen übrig lässt und der Leitzins nicht mehr niedriger notiert werden konnte, die Europäische Zentralbank beschliesst, in den nächsten anderthalb Jahren Staatsanleihen im Volumen von mindestens 1,14 Billionen aufzukaufen, also nochmal Unmengen von Geld in den Markt zu pumpen, in der vagen Hoffnung, in den Krisenländern dadurch Investitionen auslösen zu können, dass deren Produkte durch einen fallenden Euro irgendwie international wettbewerbsfähiger würden. Und das liest sich natürlich unglaublich kompliziert, sodass man eigentlich und einfacher auch hätte schreiben können, dass alles eigentlich nur die übliche Abfolge von Dreistigkeiten war oder ist, also die konkrete Dreistigkeit, eine Währung aufgezwungen zu bekommen, die von der Mehrheit seinerzeit abgelehnt wurde, gefolgt von der nächsten Dreistigkeit, dass diese neue Währung fehlerhaft konstruiert war, da sie höchst unterschiedliche und damit an sich inkompatible Volkswirtschaften in eine Einheitswährung zwang – die eigentliche Ur-Dreistigkeit der Euro-Dreistigkeiten – woraus sich die Dreistigkeit des durchwurschtelnden “Weiter so” ergab, da man auf politischer Ebene erkannte, dass die Revidierung der Fehlkonstruktion des Euros unkalkulierbar und damit äusserst riskant sein würde, weshalb man zuerst die Dreistigkeit des Niedrigzins einführen musste, um sie noch mit der Dreistigkeit des 1,14 Billionen Staatsanleihen-Kaufs zu toppen, und damit Europa und das Geld der kleinen Leute in immer noch mehr Geld zu ersäufen – und alles nur für die Rettung einer Währung, deren sehr vage Aussicht auf Erfolg von so unglaublich vielen und zumeist unkalkulierbaren Faktoren abhängt, dass es fast den Grad der absoluten Zufälligkeit erfüllt, wenn das noch gut gehen sollte. Und das liest sich immer noch unglaublich kompliziert, sodass man eigentlich und noch einfacher hätte schreiben können, dass wir mit Einführung des Euros von unserer politischen Elite allesamt in einer Rakete ins Nirgendwo abgeschossen worden sind, von der niemand weiss, ob sie hält oder ob der Treibstoff reicht, und die von einer Horde komplett besoffener Schimpansen gesteuert wird, während wir auf den billigen Plätzen die Ergebnisse der letzten Allensbach-Umfrage lesen dürfen, wonach wir, die wir mal wieder mantrahaft:

“Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles getan wird. Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles getan wird. Und bei einem demokratischen Staat möchte ich doch als Bürger sicher sein, dass es uns gut geht, dass alles …”

vor uns hinmurmeln, aber sowas von supi-zufrieden sind mit unserem demokratischen System, so wie wir auch noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik so glücklich waren wie heute.

Na also. Geht doch. Schon nach dem fünften exzessiven Waterboarding ist unser Autor bedeutend gefügiger geworden. Ja, ja. Er schreibt bereits am nächsten Text, der das wundersame und  sich ständig vergrössernde Reich unter der Empörungsreizschwelle als auch das Gebaren der in diesem Reich herrschenden Stereo-Typen etwas näher untersucht. Und weil unser Autor immer noch nicht genug Freunde hat, beschloss er, sich noch mächtig viel mehr Freunde zu machen und hat zu Recherchezwecken den “nächstgelegenen” Apple Store besucht. Und das gleich viermal! Wenn auch nicht ganz freiwillig… Aber davon mehr im dritten Teil von “Freiheit für Uli Hoeneß!”.

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