Äh…

„Man handelt ja immer in der Zeit, in der man ist.“ „Man“ darf wohl annehmen, dass Elder Stateswoman Angela Merkel, als sie anlässlich irgendeiner Preisverleihung irgendeiner Stiftung, in deren Jury sie mit irgendwelchen anderen „mans“ zusammen irgendwelche besonders preiswürdigen Aktivitäten irgendwelcher Vertreter der Zivilgesellschaft identifiziert, abnickt und preisverleiht, die Gelegenheit nonchalant, wie sie nun einmal gerne vorgibt zu sein, am Schopfe packte, um zu so etwas wie einer Rechtfertigung dessen anzuheben, was man ebenso nonchalant als „dampfende Kacke“ oder auch „Energiekrise“ heissen könnte, mit „man“ nicht unbedingt sich selbst meinte, sonder eher ein sehr unbestimmtes „uns“ oder „wir“, wie ihren folgenden Worten zu entnehmen war: „Es war für uns klar, dass wir ein Transformation der gesamten Energieversorgung brauchen ähm wir sind ähm aus der Kernenergie wie eben schon diskutiert äh wurde ausgestiegen. Wir wollten Schritt für Schritt und wollen das bisher und bleibt ja auch Programm aus der Kohle aussteigen uund äh für die Transformationszeit ähm war klar, dass wir Erdgas brauchen und dann natürlich eines Tages zu co2-freien Energieformen vollständig zu kommen. Wir haben ja auch äh durch den Druck eines Bundesverfassungsgerichtsurteils unsere Klimaneutralität auf das Jahr 2045 ähm vorgezogen und äh aus der damaligen Perspektive äh war es ähm sehr rational und nachvollziehbar leitungsgebundenes Gas auch aus Russland zu beziehen, das billiger war als das LNG aus anderen ähm Gegenden der Welt, USA, Saudi Arabien, Qatar. Und äh selbst im Kalten Krieg äh war Russland ein verlässlicher Energielieferant. Ich hab nie daran geglaubt, dasses ähm aso was gibt wie Wandel durch Handel, aber durchaus Verbindung durch Handel. Und insofern bereue ich äh Entscheidungen überhaupt nicht, sondern glaube, dass es aus der damaligen Perspektive ähm richtig war oh und auf der anderen Seite äh auch richtig war dann zum Ende meiner Regierungszeit die Klima… den Kampf gegen den Klimawandel noch einmal äh zu beschleunigen. Und äh trotzdem hat dieser brutale Überfall Russlands jetzt ähm eine Veränderung gebracht, es ist eine Zäsur, äh und äh mit der muss die neue Regierung natürlich umgehen und das tut sie auch.“

Wollte man diese „Rechtfertigung“ Merkels einigermassen sinnvoll zusammenfassen, müsste man wohl schreiben: Dass „man“ sich irgendwie einig war, dass man transformieren musste, wegen dem Klimawandel und auch wegen dem Bundesverfassungsgerichtsheini, den Merkel selbst zum Präsidenten des Ersten Senats gemacht hatte, weshalb „wir“ aus der Kohle aussteigen wollen und wollten, und weil vorher auch schon aus der Kernenergie angestiegen „wurde“ (Von wem, sagt sie nicht), war es aus damaliger Perspektive absolut rational und nachvollziehbar gewesen – um nicht zu schreiben: alternativlos – billiges russisches Gas zum kaufen, weil das habe im Kalten Krieg ja auch supi funktioniert. Jetzt sei eben ein brutaler Überfall dazwischengekommen. Blöd, aber die neue Regierung schafft das schon. Irgendwie.

Das ist typisch Merkelsche Chuzpe, sich ein bisschen doofig-naiv dahinzusetzen, um eigentlich Ungeheuerliches im Gestus einer Alltagsbanalität zu verkünden, so, als könnte nur ein vollkommener Idiot nicht begreifen, dass die Altkanzlerin natürlich und selbstverständlich und gerade in Anbetracht ihres heroischen Kampfes gegen den Klimawandel, zu dem sie nur ein bisschen durch das Urteil des höchsten deutschen Gerichtes genötigt worden war, alles richtig gemacht habe, was schon zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung – damals – „absolut“ rational und nachvollziehbar gewesen sei.

Und da ist es fast schon einerlei, dass natürlich viele sachliche Gründe gegen diese sehr simplifizierende Sichtweise der Ursachen der gewaltigen energetischen Schieflage, in welcher sich Deutschland derzeit befindet und in den nächsten Monaten befindet wird, die verheerende wirtschaftliche Folgen evozieren kann, sprechen, denn letztendlich schnurrt ihre ganze dröge Rechtfertigung, die eher eine Offenbarung der ihr ganz eigenen Unverschämtheit ist, auf ein einziges Argument zusammen, dass sie nämlich den „brutalen Überfall“ nicht habe vorhersehen können, welcher jetzt ihr ganzes (äusserst wackliges) energiepolitisches Konstrukt krachend zum Einsturz gebracht hat. Und damit unterstellt sie ihren Kritikern implizit Klugscheisserei, in dem Sinne, dass man im Nachhinein natürlich immer schlauer sei. Das ist so eine Art „Totschlagsargument“, eine letzte argumentative Verteidungslinie, die sie unbedingt halten muss, soll sich dahinter nicht ihre ganze Schnurzpiepigkeit offenbaren.

Aber natürlich hat die Bundeskanzlerin recht. Und natürlich verfängt dieses, ihr Argument, wie den Kommentarspalten der Zeitungen und Onlineforen zu entnehmen ist, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass der gemeine Deutsche immer noch Schwierigkeiten damit hat, sich einzugestehen von welchen Hallodris er in den letzten Jahrzehnten regiert worden ist und immer noch regiert wird. Natürlich hat Angela Merkel „damals“ nicht wissen können, dass Vladimir Putins Russland die Ukraine militärisch überfallen wird. Und natürlich hat der Autor dieser Zeilen auch nicht wissen können, dass Vladimir Putins Russland die Ukraine überfallen wird, weshalb sich seine Kritik – so die eigentliche Intention von Merkels Argument – verbietet, denn es hätte ja auch alles irgendwie gut gehen können mit Merkels wackeligem Energiekonstrukt, wenn Putins Russland die Ukraine eben nicht überfallen hätte.

Und natürlich wusste der Autor dieser Zeilen auch nicht, dass ungefähr 40% der deutschen Haushalte mit Gas heizen, so, wie er auch nicht ermessen konnte, wie gross der Gashunger der deutschen Industrie ist, denn der Autor heizt mit Öl. Vielleicht auch deshalb wusste der Autor dieser Zeilen nicht, dass Deutschland sich im Laufe der letzten Jahrzehnte anders als noch im Kalten Krieg von nur einem einzigen Gaslieferanten, Russland, energetisch abhängig hat machen lassen, dergestalt, dass es aus Sibirien bis zu 55% des jährlichen Gasbedarfes bezog. Deshalb schrillten beim Autor dieser Zeilen auch nicht alle Alarmglocken, als er letzten Herbst eher beiläufig zur Kenntnis nahm, dass die Gasspeicher nur rudimentär gefüllt waren, denn er wusste schlichtweg nicht, dass die deutsche Politik diese sowie andere immanente Bestandteile der deutschen Energie-Infrastruktur bereits dem Zugriff Gazproms und damit Putins ausgeliefert hatte, was im Übrigen die deutsche Politik auch dann noch nicht sonderlich juckte, als Putin bereits anfing, seine Truppen vor den Grenzen der Ukraine zusammenzuziehen.

Der Autor verfügt über kein tieferes Wissen darüber, wie man eine grosse Volkswirtschaft wie die unsere planvoll, umsichtig und vorausschauend mit ausreichend Energie versorgt. Er weiss nicht, wie „man“ die Energieversorgung eines Landes im „Damals“ schon so planen kann, dass sie auch in Zukunft noch sichergestellt ist. Und wie man die Energieversorgung so absichert, dass sie unter möglichst allen Umständen noch gewährleistet ist.

Der Autor dieser Zeilen wusste also im Vornherein tatsächlich nicht, wie Daseinsvorsorge geht.

Aber das muss er auch nicht.

Denn genau dafür hat er sein Personal.

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