Ennui

Naja.

Also. Wie sollen ich das jetzt wieder sagen?

Äh…

Neulich hat der Chef ma wieder beschlossen, sein’ Frieden zu machen. Weil das bringt ja nix, hatter gesacht, sich immer und immer wieder über den gleichen Scheiss aufzuregen. Also isser nach der Bundestagswahl ersma ne Woche lang mit som bescheuerten Grinsen durch die Gegend gelaufen, bisser dann Post bekommen hat vom SWR, also dem sogenannten Südwestrundfunk, also dem ehemaligen Zentralorgan der BW-CDU, der Banden-Württemberg-Partei, das in den Zeiten, als man schon beinahe nich mehr erkennen konnte, was im Ländle noch CDU und was schon Staat ist, die Wohltaten der Partei in die Welt hinausposaunte und ansonsten nur Volksmusikveranstaltungen, durch deren Programm ein als Frau verkleideter Mann führte, zermürbende Reportagen von der letzten Neckarflussfahrt und Kochsendungen mit Johann Lafer rundfunkte, um zumindest bei der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung einen fast schon komatösen Geisteszustand zu erzeugen und auch zu erhalten, welcher der Partei die Wiederwahl für alle Zeiten sichern sollte, was immerhin bis 2011 auch ganz gut geklappt hat. Und da erinnerte sich der Chef, dasser im Frühjahr auf einer seiner gelegentlichen Wein-Expeditionen in der Pfalz auch durch einen Landkreis gefahren is, in dem schon Wahlplakate an den Laternen hingen, so dasser sich dachte, anscheinend findet die Bundestagswahl inner Pfalz wohln paar Monate früher statt, bisser er kapierte, dass die Pfälzer doch tatsächlich das Recht ham, ihrn Landrat direkt wählen zu dürfen, was den Bürgern in Baden-Württemberg durch die CDU immer verwehrt geblieben ist, weil auch durch die komatöse Wirkung des SWR die Landbevölkerung immer Kreistage gewählt hat, die durch die CDU dominiert wurden, und die dann – genau – immer einen Landrat installierten, der ihnen genehm war, was das Durchregieren der Partei von Stuttgart aus in die Provinz erheblich erleichterte und so Baden-Württemberg ein ziemlich zentralistisch geprägtes Ländle war, deren Landbevölkerung als Bittsteller an den langen Fäden aus Stuttgart zappelten. Und da war es der BW-CDU auch ziemlich egal, dass sie damit eine Art politische Zweiklassengesellschaft im Land etabliert hatte, da nämlich die Stadtbevölkerung ihren Oberbürgermeister, der die Rechte und Pflichten eines Dorfbürgermeisters als auch die Befugnisse eines Landrats so ziemlich in einem Amt vereint, immer schon direkt wählen durfte, was zumindest mit dem demokratischen Prinzip „Gleiches Recht für Alle“ nur sehr schwer bis gar nicht zu vereinbaren ist, was der Partei aber auch ziemlich egal war, denn eine freie und direkte Wahl des Landrates hätte immer das unkalkulierbare Risiko nach sich gezogen, dass vielleicht trotz CDU-dominierten Kreistages ein parteiloser Kandidat oder schlimmer noch, einer von den Sozen oder den Grünen von der Landbevölkerung gewählt worden wäre, der sich zudem noch bei der nächsten Wahl dem Urteil der Bürger und nicht nur dem der Partei hätte stellen müssen. Da wärs dann aber vorbei gewesen mit dem schicken Durchregieren und wer jetzt denkt, dass sich das mit dem Durchregieren und der indirekten Landratswahl geändert hat, seitdem die doch eigentlich so basisdemokratischen Grünen hier an die Macht gekommen sind – Pustekuchen – denn nach einem kurzen basisdemokratischen Zucken fanden die relativ schnell Gefallen an den von der CDU hinterlassenen Schalthebeln des Durchregierens, was zur Folge hatte, dass sich an dem zentralistischen Zappeln aber nullkommanix geändert hat und der SWR seitdem die Erfolge einer anderen Partei in die Welt hinausposaunt und ansonsten Volksmusiksendungen mit Männern in Frauenkleidern, zermürbende Reportagen von der letzten Neckarflussfahrt und Kochsendungen jetzt aber immerhin mit Vincent Klink rundfunkt.

Jedenfalls dachte sich der Chef, alsser den Brief vom SWR in den Händen hielt, dass da wohl bestimmt ne Interviewanfrage vom Fernsehen drinne ist, alldieweil er nämlich kurz vorher irgendwo gelesen hatte, dass beim Plasberg, also im Fernsehen, sich mal wieder sone Expertenrunde versammelt hätte, um über das zu diskutieren, was man gemeinhin den Pflegenotstand nennt, also dieses olle Phänomen, das mittlerweile so alt is, das es neben Bratwurst, Blasmusik und Bundesliga fast schon zur bundesdeutschen Folklore gehört und das alle paar Jahre hervorgekramt wird, um dann zum x-ten Mal in irgendeiner Talkshow von den üblichen Ahnungslosen durchgekaut zu werden. Und weil der Chef ausserdem gelesen hatte, dass der Plasberg sich tüchtig darüber aufgeregt hat, dass man sich schon seit Jahrzehnten über den Pflegenotstand aufregt und nix passiert, dachte er, vielleicht wollen sie’s diesmal wirklich wissen, statt immer nur die gleichen Phrasen zu dreschen. Und is ja klar, wenn einer dem Plasberg verklickern könnte, wie der Hase in der Pflege läuft, dann is das unser Chef, der Pflegeheimfuzzi! Also sah er sich im Geiste schon über die Mattscheiben der Nation flimmern und hörte sich kluge Dinge sagen wie:

Mein lieber Herr Plasberg, wissen sie, es ist doch so: Die Pflege steht leider zu sehr im politischen Fokus, weil wahlentscheidende Wählerschichten nunmal in das Alter gekommen sind, in dem sie sich mit ihrem persönlichen möglichen Schicksal im deutschen Pflegesystem befassten. Allerdings ist dieses Thema bei den meisten Menschen angstbesetzt, weil natürlich niemand pflege- und hilfsbedürftig sein will, ausserdem haben sehr viele Menschen keinen Schimmer, welche Pflege- und Betreuungsbedarfe sie zukünftig ausbilden werden und wie eine professionelle Einrichtung darauf reagieren sollte. Also wünschen sie sich eine Pflegeeinrichtung im besten Fall ungefähr so wie ein schickes Hotel, in welchem sie in einem Einzelzimmer logieren werden und wo ab und zu mal eine nette Schwester vorbeischwebt. Auf diese falschen Vorstellungen reagiert die Politik, indem sie Pflegeeinrichtungen gesetzlich wie Hotels mit zusätzlichem Pflegepersonal konzipiert. Das heisst, die Politik denkt die Pflege fast ausschliesslich von den Begriffen des Wohnens und der Pflege her. Dass das vollkommen bescheuert ist, da der ganz überwiegende Grund für eine Heimaufnahme heutzutage die Demenz ist, weiss die Politik auch, sie will aber Wahlen gewinnen. Also wurden und werden Pflegeeinrichtungen auf die grüne Wiese gesetzt, die aufgrund ihrer baulichen und personellen Konzeption für die bedarfsgerechte Pflege von Menschen mit Demenz gänzlich ungeeignet sind. Menschen mit Demenz, zumindest in den ersten beiden Stadien, benötigen nämlich neben somatischer Pflege auch und gerade eine fachgerechte psychosoziale Betreuung, die von entsprechend geschulten Fachkräften erbracht werden sollte, die keine Pflegekräfte sein müssen. Denn Pflegekräfte arbeiten nun einmal anders als Therapeuten und Betreuungskräfte. Sie haben gelernt, ziel- und ergebnisorientiert zu arbeiten, während Therapeuten in der Betreuung von Menschen mit Demenz prozessorientiert arbeiten müssen. Das sind zwei extrem unterschiedliche Anforderungsfelder, die nicht vermischt werden sollten. Allerdings benötigt die bedarfsgerechte Betreuung auch Flächen, wie zum Beispiel Gruppenräume. Da aber die Politik von den Heimbetreibern immer mehr Flächen im Hotelbereich für das reine Wohnen fordert, können die wirklich notwendigen therapeutischen Flächen, auf denen ja kein Bett steht und die somit keine Erträge generieren, nicht mehr errichtet werden, da diese schlicht und einfach zu teuer und damit unwirtschaftlich sind, zumal durch die ganzen Verordnungen und Auflagen, mit welchen nicht nur die Pflege durch die Politik bezüglich der Energieeinsparung, des Brandschutzes, des Arbeitsschutzes etc. etc. beglückt worden ist, sich der Bau von Pflegeheimen ohnehin exorbitant verteuert hat. Das macht es für „normale“ Pflegeheimbetreiber schwer bis unmöglich, eine sinnvolle Pflegeimmobilie zu finanzieren und ruft zudem US-Heuschrecken auf den Plan, die im grossen Stil in der Branche investieren, aber naturgemäss an guter Pflege wenig Interesse haben, sondern ausschliesslich renditenorientiert operieren und zwar maximalstmöglich – versteht sich. Also verfügen neue Heime über eine Menge gesetzlich geforderter Flächen im Hotelbereich, die am Bedarf vorbei und völlig sinnlos in die Gegend gepflanzt wurden, da sie therapeutisch nicht bespielbar sind, weil eine wirtschaftlich sinnvolle Gruppenraumgrösse nicht gegeben ist, selbst wenn der Träger bereit wäre, das therapeutische Personal auch zu finanzieren. Eine wirtschaftlich sinnvolle Gruppenraumgrösse bietet mindestens 15 Personen ausreichenden Platz, denn diese 15 Personen müssen durch mindestens zwei, besser drei therapeutisch geschulte Kräfte betreut werden, da die 15 Personen, die sie betreuen, Menschen mit Demenz als auch Harninkontinenz sind und deshalb öfter aufs Klo müssen und diesbezüglich Begleitung brauchen. Es müssen also genug Kräfte anwesend sein, um beides abzudecken, eine sinnvolle Betreuung als auch das Toilettentraining. Wenn die Gruppenräume zu klein sind, wie die gesetzlich geforderten Teeküchen, die kleinteilig im Hotelbereich verteilt sein müssen und vielleicht nur 8 Personen Raum bieten, brauche ich doppelt so viel Personal – und das, lieber Herr Plasberg, will seltsamerweise niemand zahlen. Es ist in diesem Zusammenhang auch wenig hilfreich, immer auf den Personalzahlen in der Nachtwache herumzureiten, da es zuvörderst darauf ankommt, wer da in den Betten liegt, Menschen mit Demenz, die konsequent an 365 Tagen im Jahr durch therapeutische Kräfte tagsüber auch müde gearbeitet werden und deshalb nach einem erfüllten Tag des Nachts in der Regel gut schlafen oder Menschen mit Demenz, die tagsüber grösstenteils sich selbst überlassen werden, deren Tag-Nacht-Rhythmus nicht selten gestört ist und die die Pflegekräfte des Nachts in den Wahnsinn treiben, da sie in Rudeln über Station tappen und die Nachtwachen am besten überall zugleich sein müssen. Solche Stationen schaffen dann ein Arbeitsumfeld, das die Pflegekräfte frustriert und überfordert und das somit wenig zur Attraktivität des Pflegeberufes beiträgt und deshalb mitverantwortlich für das ist, was man gemeinhin „Pflegenotstand“ nennt, wenn es ihn denn überhaupt in diesem Ausmasse gibt, denn für nicht wenige Pflegekonzerne war und ist der „Pflegenotstand“ immer schon ein willkommenes Alibi gewesen, um Personalkosten einzusparen, womit wir jetzt aber auch bei den Kliniken wären. Kurzum, wenn man die Frage, lieber Herr Plasberg,: „Warum gibt es den Pflegenotstand?“ mit nur einem Satz beantworten wollte, müsste man sagen: „Weil es politisch gewollt ist, dass es ihn gibt.“

Und da freute sich der Chef dann über den, wie er fand, überaus gelungenen Start seiner Fernsehkarriere, lächelte selig, öffnete den Brief, um mal zu gucken, wann der Termin für sein Interview is, als ihm auf einmal die Gesichtszüge entgleisten, denn in dem Brief drinne war natürlich keine Einladung zum Interview beim Plasberg, sondern im Brief drinne war ne ziemlich rüde Aufforderung, dem SWR innerhalb ner ziemlich kurzen Frist zackizacki offenzulegen, wie viel Mitarbeiter der Chef beschäftigt und wie viel Autos er aufs Geschäft angemeldet hat, damit der SWR ausrechnen kann, wie viel Gebühren er für seine Mitarbeiter, also für uns, an den Staatsfunk blechen muss. Und das kann der Chef normalerweise gar nicht leiden, da hat der sich schon vor Jahren heftig drüber aufgeregt, kann mich noch erinnern, dasser damals sagte, er könne es noch einigermassen nachvollziehen, für seine Flimmerkiste zuhause ne Gebühr an den Staatsfunk zu zahlen, obwohl er nur einen Bruchteil des Angebots nutzt, wasser er aber überhaupt nicht verstehen könne, ist, dasser er eine Gebühr für seine Mitarbeiter zahlen soll, allein für die blosse Möglichkeit, dass sie während der Arbeitszeit Leistungen des Staatsfunks in Anspruch nehmen könnten, was sie aber gar nicht tun. Und das mit der blödsinnig sophistischen Begründung, er als Arbeitgeber müsse ein solidarisches Interesse daran haben, dass es einen unabhängigen Staatsfunk gibt, der frei von wirtschaftlichen und politischen Interessen einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag nachkommt. Mit der gleichen Begründung könne er, so hatter damals gesagt, auch allen anderen Arbeitgebern im Ort eine Rechnung schicken, weil ihre Mitarbeiter irgendwann einmal die Dienstleistungen unserer Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen könnten, weshalb die Arbeitgeber ein solidarisches Interesse daran haben müssten, dass es eine unabhängige Pflegeeinrichtung vor Ort gibt und zwar frei von wirtschaftlichen und politischen Interessen, versteht sich. Ein Staatsfunk aber sei nunmal keine Sozialversicherung, ebenso wenig wie eine Pflegeeinrichtung, sondern ein reiner Dienstleister. Und ein Dienstleister stellt seine Rechnungen erst dann, wenn – wie der Name schon sagt – der Dienst geleistet oder in Anspruch genommen worden ist. So hat der Chef das noch vor Jahren gesagt, jetzt aber, wahrscheinlich weil er mal wieder seinen Frieden machen will, klang er irgendwie versöhnlicher. Naja, sagte er, vielleicht habe er sich geirrt, vielleicht isses doch wichtig, dasses einen unabhängigen Staatsfunk gibt, der alle Bürger frei von eigenen politischen Interessen bildet und aufklärt, sodass gebildete, aufgeklärte und somit mündige Bürger sich ein differenziertes Bild darüber machen können, was tatsächlich im Lande los ist. Und deshalb sei es doch gut, dass es eine Sozialversicherung gegen die allgemeine Verdoofung gibt. Und dann seufzte der Chef, lächelte wieder selig und schaltete den Fernseher ein, denn es war Zeit für die Tagesschau. Also, ich weiss ja nicht, aber ich denke, wenn so Typen wie unser Chef ihren Frieden machen wollen, isses eigentlich besser, sie schalten die Tagesschau in diesen Zeiten eher nicht ein, nee, und auch nicht „heute“. Naja, und so kam es dann, wies wohl kommen musste, denn inner Tagesschau vom 01. November staatsrundfunkten sie diesmal auch darüber, dass die Kosten für Asyl deutlich gestiegen sind. Die Ansage machte zunächst Jens Riewa. Er sagte:

„Die Zahl der Asylbewerber, die staatliche Unterstützung erhalten, ist 2016 gesunken. Die Ausgaben aber sind deutlich gestiegen. Insgesamt 9,2 Milliarden Euro hätten Bund, Länder und Gemeinden insgesamt aufgebracht, so das Statistische Bundesamt.“

Tja, ich weiss ja nicht, wies anderen geht, aber in letzter Zeit issen bisschen was durcheinander gekommen, was so die Begrifflichkeiten angeht. Erst hiesses Asylant, dann auf einmal Asylbewerber, später Flüchtling, Schutzsuchender oder Schutzbefohlener. Und ich behaupte mal, dass nicht nur ich diese Wörter synonym verwende, weil ich wie die allermeisten Menschen auch noch was anderes zu tun habe, als mich jederzeit über den derzeit angesagten politisch korrekten Begriff für die Menschen zu informieren, die zu uns geflüchtet sind. Und wie ich den Chef kenne, sieht der das genauso, deshalb schaute der auch auf einmal so kritisch, als nach Riewas Ansage der Bericht in der Tagesschau anfing und eine Frauenstimme aus dem „Off“ verlautbarte:

„Es ist ein Rekordwert, so viel wie 2016 wurde bundesweit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz noch nie ausgegeben, das heisst für die Flüchtlinge, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde.“

Und dieser Satz rauscht dann so an einen vorbei, weil die allermeisten Menschen, die wie ich die verschiedenen Bergrifflichkeiten mit denen man Menschen auf der Flucht zu bezeichnen hat, nicht recht überschauen, so wie se auch sehr oft nicht wissen, dasses ein Asylbewerberleistungsgesetz gibt und was dieses regelt, da nunmal nicht jeder von uns im BAMF oder im örtlichen Ausländeramt arbeitet. Erst wenn ma sich nen Kopf macht und die Ansage und Eingangssequenz öfters anschaut, kann man, so wie ich, kapieren, was gemeint ist. Offensichtlich is „Asylbewerber“ aus Riewas Ansage in diesem Zusammenhang keine umgangssprachliche Bezeichnung für Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen, sondern vielmehr ein „juristischer Begriff“, der angewendet wird für Menschen, die im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes Leistungen beantragen und empfangen dürfen, also Anspruchsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, oder im ARD-Sprech: Menschen über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dasses Menschen gibt, über deren Asylantrag schon entschieden worden ist. Von denen is aber im ganzen Bericht nicht die Rede. Und das wiederum wirft ein anderes Licht auf das doppelte „insgesamt“ aus Riewas dritten Satz:

“Insgesamt 9,2 Milliarden Euro hätten Bund, Länder und Gemeinden insgesamt aufgebracht, so das Statistische Bundesamt.“

Die 9,2 Milliarden Euro sind also nicht die insgesamt insgesamt Kosten, die von Bund, Ländern und Gemeinden für alle alle Asylbewerber aufgebracht wurden, sondern nur für einen Bruchteil von ihnen. Aha! Und zwar, wenn man dem Bericht glauben schenkt, für 728.239 Menschen im Jahr 2016, wobei die Frauenstimme darauf hinweist, dass die Ausgaben so hoch seien, weil Leistungen aus 2015 erst 2016 verbucht werden konnten. Auch taucht jetzt auf einmal der Begriff „Nettoausgaben“ auf. Dieser Begriff legt nahe, dass die 9,2 Milliarden lediglich die ausgezahlten Leistungen erfassen, Verwaltungskosten und andere Kosten aber nicht berücksichtigen. Im weiteren Fortgang des Berichts offenbart die Frauenstimme dann aber weitere Gründe für den Kostenansieg:

„Ausserdem seien gestiegene Mietkosten und hohe Fixkosten für unterbelegte und leerstehende Unterkünfte weitere Gründe.“

Und das is jetzt echt mal wieder seltsam, denn gerade hatte ich gelernt, dass nicht alle Asylberwerber gemeint sind, sondern nur die Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die Nettoleistungen von 9,2 Milliarden Euro abgerufen ham. Aber auf einmal sind in den 9,2 Milliarden auch Mieten für Immobilien und hohe Fixkosten für Unterkünfte enthalten. Das sind aber eigentlich Kosten, die von Bund, Ländern und Gemeinden zu tragen sind, und die zählen nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht zu den berechtigten Leistungsempfängern dieses Gesetzes, allein schon, weil Bund, Länder und Gemeinden schlecht bei sich selbst Asyl beantragen können. Nach den ersten kleineren Ungereimtheiten nähert sich die Tagesschaumeldung also ziemlich schnell dem absoluten Schwachsinn an, zumal auch die Behauptung der Frauenstimme:

„Es ist ein Rekordwert, so viel wie 2016 wurde bundesweit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz noch nie ausgegeben, das heisst für die Flüchtlinge, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde.“

nicht den Tatsachen entspricht, da dem Asylbewerberleistungsgesetz nach § 1 zu entnehmen ist:

„Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die (…) eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen (oder) die vollziehbar ausreisepflichtig, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist“,

mithin sind also auch Personen leistungsberechtigt, deren Asylantrag schon negativ entschieden worden ist, bei denen aber die Abschiebung ausgesetzt wurde oder die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus irgendwelchen Gründen, weil sie den Pass verloren haben, noch keine Ersatzpapiere erhielten, ein ärztliches Attest vorlegen etc, von unserem Staat nicht abgeschoben werden können. Und das sind gar nicht mal so wenige, derzeit sind 220.000 Menschen eigentlich ausreisepflichtig, von denen wiederum 160.000 eine Duldung besitzen.

Was bezweckt also die Tagesschau, dieses Flaggschiff des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks, mit dieser verquasten Meldung?, die angeblich auf einer Berechnung des Bundesamtes für Statistik beruhen soll, was aber nicht unabhängig nachgeprüft werden kann, da dieser Bericht vom Bundesamt nicht veröffentlicht worden ist und nur „exklusiv“ der BILD-Zeitung vorliegen soll, die daraus berichtete, womit die journalistische Grosstat der Tagesschau letztendlich auf einer Meldung der BILD-Zeitung basiert. Ich meine, so viel Unvermögen kann man wohl kaum unterstellen. Wollte man also die soziale Wucht der hohen Kosten, über die BILD berichtete, abfedern, indem man eine Relativierung unter das Volk schlawinert?, die in etwa lautet: “Okaaaaay, die Kosten sind zwar hoch, aber erstens, sind da sozusagen Sonderposten miteinberechnet und zweitens, seht ihr ja, dass die Zahl der Asylbewerber sinkt.” Dazu passt jedenfalls der „positive“ Ausblick, mit dem der Bericht endet:

„Einige Experten rechnen damit, dass die Ausgaben in diesem Jahr wieder zurückgehen.”

Was aber leider leider so insgesamt insgesamt auch nicht ganz richtig richtig ist, denn die Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden zwar sinken, aber nur weil die Asylbewerber, über deren Antrag positiv entschieden worden ist, ab ihrer Anerkennung in die Sozialhilfe (Hartz 4) abwandern, insofern sie keinen Job finden, was den allermeisten, wie übrigens ein vollkommen unbedeutendes Blog bereits im Juni 2016 prophezeite, nicht gelungen ist und so schnell auch nicht gelingen wird, weshalb im Mai 2017 bereits 870.000 Flüchtlinge und deren Familiennachzügler als Leistungsempfänger von Hartz-4-Leistungen registriert waren. Tendenz stark steigend, zumal der Familiennachzug nur für die Flüchtlinge ausgesetzt ist, die ihre Aufenthaltsgenehmigung erst nach dem 17.03.2016 erhielten. Der Familiennachzug der Menschen, die ihre Genehmigung vor diesem Termin bekamen, ist sofort in der Sozialhilfe leistungsberechtigt. Es ist also nur das klassische Prinzip rechte Tasche, linke Tasche und keine echte Reduzierung der Kosten, sondern eher das Gegenteil, da die Leistungen nach Hartz4 höher sind als die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. (Was einige Schreiberlinge in der jüngsten Vergangenheit gerne zum Anlass nahmen, ihren Lesern vorzurechnen, dass Asylbewerber weniger vom Staat erhalten als deutsche Hartzer. Stimmt ja auch, aber eben nur bis zur Anerkennung)

Naja, der Chef war jedenfalls ziemlich bedient von dem Genuss des qualitätsjournalistischen Produkts der Sozialversicherung gegen die allgemeine Verdoofung, er zappte sich entnervt durch die Programme und blieb bei dem Bild einer bunten Gesellschaft hängen, die jetzt schon seit Tagen von einem Balkon herab winkte.

Schau mal, die parlamentarische Gesellschaft, sagte der Chef.

Von der repräservativen Demokratie, sagte ich.

Achgottchen, sagte der Chef.

Der Sprecher erzählte irgendwas von schwierigen Sondierungsgesprächen. Dann wurde einer der Sondierer der FDP interviewt, der sich über die hypermoralischen Standpunkte der Grünen auskotzte. Da sagte der Chef:

In der Verfassung könnten wahrscheinlich noch nicht mal die Sozen mit den Grünen koalieren. Gerade nochmal von der Schippe gesprungen, weil rechtzeitig vor der Wahl ein paar Hurricans die Karibik durchschüttelten, was dann im vorauseilenden Gehorsam in den üblichen Labershows des Staatsrundfunks breit getreten wurde, nach dem Motto: ohgottohgottohgottderklimawandelkanndasauchbeiunspassieren? Bessere Wahlwerbung gibts für die gar nicht, selbst wenn prominente Wetterexperten dagegengehalten haben, was aber nicht verhinderte, dass ein paar Mimosen, die das Wasser nicht mehr halten konnten, die Wahllokale stürmten und den Grünen doch tatsächlich ein Plus von 0,5 Prozent bescherten, worüber die vor Glück beinahe heulten. Jetzt sindse wieder obenauf. Kretschmann hat sich ja schon einen E-Dienstwagen bestellt. Ist jetzt bald sein neues gescheids Auto.

Und wieso sollen die nicht mit der SPD koalieren können?

Wenn die SPD ihr Gefasel von „Mehr soziale Gerechtigkeit!“ ernst meint, würde es schwierig. Denn wenn du dir das Wahlprogramm der Grünen durchliest, dann ist das im Kern nichts anderes als ein elitäres Prekarisierungs-Programm.

Ein Prekarisierungs-Programm?

Energiewende. Verbot von Glyphosat, Abschaffung der Massentierhaltung. Unbegrenzter Familiennachzug für die Flüchtlinge.

Schöne neue Welt!

Ja, schöne neue Welt. Es wird aber jemand die Kosten dafür zahlen müssen, wenn es so weit kommt, und die Unterschicht wird es neben der unteren Mittelschicht am härtesten treffen. Schon jetzt können 330.000 Haushalte im Land ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen und die Energiewende wird die Preise weiter treiben. Das Verbot von Glyphosat lässt die Erträge der Landwirtschaft sinken bei gleichzeitig erhöhtem Arbeitsaufwand, das verteuert das Brot. Gleiches gilt für die Abschaffung der Massentierhaltung, glücklichere Tierchen liefern eben teurere Schnitzel. Und der unbegrenzte Familiennachzug lässt gerade in den Elendsquartieren der sozial Schwachen die Mieten steigen, schon jetzt weigern sich Sozialämter der Großstädte die gestiegenen Mieten von Hartzern zu finanzieren. Ganz zu schweigen von den Schulen in diesen Vierteln, die oft hoffnungslos überfordert sind von dem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund, der dann ebenfalls noch steigen wird. Regelmässig bekommt Deutschland von internationalen Institutionen attestiert, dass es bei uns mit der Chancengerechtigkeit nicht weit her ist, wenn die Grünen aber ihr Ding durchziehen, wird sozialer Aufstieg durch Bildung gänzlich verunmöglicht, da sich die unteren Schichten kaum teure Privatschulen werden leisten können. Man kann ja all diese Dinge machen, gibt für jede einzelne Massnahme gute Gründe, aber in der Summe ist das der mächtigste Arschtritt, den eine Partei in der Bundesrepublik jemals der Unterschicht verpassen wollte. Dagegen ist selbst die FDP die reinste Heilsarmee. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum die sich selbst als „links“ einstufen, denn eigentlich sind die „umgestülpt rechts“ und alles andere als antiautoritär.

Umgestülpt rechts?

Ja, denn da wo die Rechten das „Eigene“ überhöhen und das Fremde verachten, überhöhen die Grünen das Fremde und verachten im Grunde das „Eigene“. Sie stülpen das „rechts” der Rechten gewissermassen von innen nach aussen. „Links-Sein“ verstehen sie nicht im klassenkämpferischen Sinne als einen Auftrag, den Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen den sozialen Klassen innerhalb unserer Gesellschaft zu überwinden, sondern vielmehr als eine Mission, um für sich und ihresgleichen eine schöne neue Welt zu schaffen, die für sie selbst moralisch erträglich ist, und zwar nicht im nationalen sondern im internationalen Sinne. Die sind nämlich „progressiv“, verstehste?, das ist auch wieder so ein umgestülptes „reaktionär“. Der wahrhaft Grüne rettet den Indio-Bauern ebenso wie den Südsee-Insulaner, das deutsche Prekariat aber, welches sozusagen die sozialen Konstruktionskosten für die schöne neue Welt zu zahlen hat, ist ihm dagegen nicht nur relativ bumms, er verachtet es geradezu, weil das Prekariat oder die Unterschicht mit ihrer Lebensart eben für all das steht, was der wahrhaft Grüne hassen muss, weil es genau das ist, was durch die neue schöne Welt abgelöst werden soll. Es ist die alte Welt der RTL II-schauenden Raucher, die sich beim Discounter für 1 Euro 400 Gramm abgepacktes Hackfleisch aus der Frischtheke klauben, um es danach in Plastiktüten nach Hause zu schleppen. Die alte Welt der BILD-Zeitungslesenden Alkoholiker, die sich in 10 EuroLäden mit den Ausbeutungsprodukten aus Asien einkleiden und deren letzte und einzige Hoffnung der samstägliche Lottoschein ist. Die alte Welt der grossmäuligen Vorstadt-Machos, die emanzipative Bestrebungen aller Art schon immer für stark überschätzte Ideen gehalten haben und die am Wochenende nur so zum Spass mit ihren aufgemotzten Kisten durch die Innenstädte kacheln. Und die alte Welt der alleinerziehenden Mütter, die sich mit mehreren mies bezahlten Jobs über Wasser halten und so gar keinen Sinn für Multi-Kulti-Romantik haben, da ihre Kinder oft die einzigen Schüler ohne Migrationshintergrund in der Grundschulklasse sind. Es ist die alte Welt dieser Unvermögenden und Unbelehrbaren, die damals nicht klatschend am Bahnhof standen, da sie wohl schon ahnten, an wen die Kosten für diese neue gesellschaftliche Errungenschaft bald weitergereicht werden würde. Es ist diese Welt, die von einer vergrünten SPD nicht nur längst aufgegeben, sondern auch verraten worden ist. Und es ist diese alte Welt, die in den Augen der neuen Spiesser-Elite jetzt endlich weg muss, da sie ihnen unerträglich und ekelerregend ist.

Dieser Kampf der neuen Welt gegen die alte, hat schon vor Jahren begonnen, da die Abkömmlinge der alten urbanen Eliten mit dem üblichen Zuzug der Erlebnishungrigen vom Land und aus den Kleinstädten zu einer selbsternannten “Urban Bohème” fusionierten, deren „politischer Arm“ die Grünen wurden und die sich nach und nach der großstädtischen Viertel der kleinen Leute bemächtigte, um dort die neue Welt bereits im Kleinen zu etablieren, die sich zwar durch den immer gleichen kleingeistigen Stumpfsinn auszeichnet, deren Eintrittspreis aber durch die Unterschicht bald nicht mehr bezahlt werden konnte und die deshalb immer mehr in die Aussenbezirke der Stadt verdrängt wurde. Dass die Entwurzelung dieser Menschen durch das Kapital krassester Klassenkampf von oben nach unten war, beeinträchtigte das pseudolinke Selbstverständnis – so what? – vordergründig eher wenig bis gar nicht, denn schliesslich fordert der gesellschaftliche Fortschritt, als dessen Speerspitze man sich empfand und empfindet, immer seine Opfer. Das war doch schon immer so, hörten sie sich sagen, fühlten aber dennoch dumpf einen Widerspruch zwischen dem eigenen Tun und dem hehren moralischen Anspruch, eine verbrämt gefühlte Schuld, ein Gefühl, das von dieser neuen Elite jedoch auf eine höhere Ebene transzendiert wurde, wo es symbolisch durch die Gründung von LaLaLand endgültig und ein für allemal besänftigt werden sollte. LaLaLand, dieser Sehnsuchtsort einer pseudolinken Elite, in dem alle sich lieb haben, wo alle so total kreativ und gleichzeitig so politisch korrekt sind und man sich einig ist, im Kampf gegen alle nur möglichen Übel der alten Welt. LaLaLand als die neue alte linke Utopie der internationalen Solidarität, die mit Ausnahme der eigenen Unterschicht alle Menschen zu Brüdern werden lässt, und so gleichzeitig von einer diffus gefühlten Schuld befreit, sei sie vermeintlich von den Nazi-Vorfahren ererbt oder in den eigentlich unauflösbaren Verstrickungen der Widersprüche des eigenen Seins und Tuns begründet.

Und dann ist das ja auch noch so schön praktisch, wenn der persönliche Schuldenerlass durch die Allgemeinheit finanziert werden muss und man die Unterschicht mit sämtlichen sozialen Folgekosten alleine lässt, die an den Rändern der Stadt mit den Flüchtlingen um den wenigen günstigen Wohnraum rangelt und der man am liebsten auch noch den Familiennachzug unbegrenzt aufs Auge drücken würde, während man es sich in deren einstigen Refugien nun aber besten Gewissens so richtig schön gemütlich macht.

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