Ein Schwerpunkt dieser Regierung

Wenn man sich als Betreiber einer stationären Pflegeeinrichtung schon morgens den Tag so richtig versauen möchte, dann besucht man am besten im Internet die Webseite, auf welcher einst das Konterfei seiner Exzellenz des Bundesgesundheitsministers lächelnd grüsste und auf der nun sein Nachfolger, der neue Bundesgesundheitsminister, fast ebenso nett lächelnd verkündet:

“Verbesserungen in der Pflege sind ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung. Deshalb werden wir die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen schon zum 1. Januar 2015 deutlich verbessern.”

Und auch wenn so mancher bei den Worten “…ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung…” schon schluckt, da er Übles ahnt, so ist es dennoch die Pflicht der reformpflege, das, was da ab dem 01. Januar 2015 wieder einmal und nur notdürftig als Reform getarnt auf Pflege zurollt und bereits am 11.Juli in einem ersten Durchgang im Bundesrat beraten wurde, ebenso in einem ersten Durchgang mal etwas genauer zu betrachten. Und weil gerade die stationäre Pflege von den letzten “Reformen” der Exzellenzen so stiefmütterlich behandelt worden ist, liegt das Hauptaugenmerk dieser Betrachtung auf den Verbesserungen, die das sogenannte 1. Pflegestärkungsgesetz  der stationären Pflege bringen soll. Und bei gar nicht mal so genauer Betrachtung stellt sich dann ziemlich schnell heraus, dass die Stärkungen des Gesetzes für die stationäre Pflege ziemlich übersichtlich ausgefallen sind. So ist festzuhalten, dass die Leistungen bei vollstationärer Pflege, also die monatlichen Zuschüsse, welche die Pflegekassen bei vollstationärer Pflege zahlen, um üppige 4 % angehoben werden sollen, das sind in der Pflegestufe I 41 Euro, in der Pflegestufe II 51 Euro und in der Pflegestufe III 72 Euro. Das liest sich auf den ersten Blick fast schon grosszügig – vor allem dann, wenn man nicht weiss oder bereits vergessen hat, dass die Leistungen der Pflegekassen seit Einführung der Pflegeversicherung – also seit fast 20 Jahren – nicht nenneswert erhöht wurden. Was sich im gleichen Zeitraum aber mehr als nur nennenswert erhöht hat, sind leider die Kosten für Pflege. Jede Pflegeeinrichtung hat zwei bestimmende Kostenfaktoren für den laufenden Betrieb. Das sind zum einen, da Pflege nun einmal und immer noch Hand- und Spracharbeit ist, die Personalkosten und zum anderen die Energiekosten. Man muss kein Weltökonom wie Jens Weidmann sein, um zu verstehen, dass die Schere zwischen den tatsächlichen Pflegekosten, die dem Heimbewohnern und/oder deren Angehörigen in Rechnung gestellt werden, und dem Zuschuss der Pflegekassen seit 1995 immer weiter auseinandergegangen ist, da gerade diese Kosten immer schneller und schliesslich dann ganz auf und davon galoppierten. Durften die Einrichtungen in der Vergangenheit billigen Atomstrom teuer bezahlen, beziehen sie nach der Energiewende den Strom zwar billiger, werden dafür aber jetzt wie Otto Normalverbraucher auch mit einem Vielfachen an Steuern, Umlagen und Subventionen für energieintensive Konzerne, von denen nicht wenige in den letzten Jahren ziemlich heftige Gewinne machen durften, zugeworfen. Ähnlich verhält es sich mit den Personalkosten der Betriebe, die sich noch mehr als die Energiekosten dem Einfluss der Heimbetreiber entziehen, da die Personalausstattung zum einen hinsichtlich Quantität als auch Qualität gesetzlich vorgeschrieben ist, und zum anderen auch die Einrichtungen in privat-gewerblicher Trägerschaft zumindest indirekt von einem regelmässig stattfindenden Ereignis abhängig sind, das sich Tarifverhandlung des Öffentlichen Dienstes nennt, anlässlich dessen dann Verwaltungsheinis mit Verwaltungsheinis darüber verhandeln dürfen, was u. a. Verwaltungsheinis in Zukunft verdienen sollen, mit dem nicht allzu überraschenden Ergebnis, dass – Oh Wunder! – sich dieses reiche Land seinen Öffentlichen Dienst bald nicht mehr wird leisten können. Und weil nunmal jeder gerne viel Geld verdienen möchte, aus irgendwelchen Gründen aber nur die Wenigsten bereit sind, immer mehr Geld für das gleiche Produkt zu zahlen und der von den Bewohnern oder Angehörigen zu entrichtende Eigenanteil den real stagnierenden Zuschüssen der Pflegekassen immer mehr entwachsen ist und die Pflegeeinrichtungen nun einmal nicht die Haute-Volée pflegen, die sich im Bedarfsfalle nämlich die Privatkrankenschwester oder die Luxus-Pflege-WG leistet, sondern auch die Mittelschicht, die immer noch so vermögend ist, dass sie sich die Heimkosten nicht durch das Sozialamt bezuschussen lassen muss, können die immens gestiegenen Kosten der Pflege nur noch schlecht bis gar nicht eins zu eins an den Kunden weitergegeben werden, da die Preisakzeptanz des Mittelstandes aufgrund der steigenden Höhe des Eigenanteils aber auch aufgrund des verbesserungswürdigen Images der vollstationären Pflege zunehmend sinkt. Das setzt vor allem die kleinen Pflegeeinrichtungen unter Druck, denen in den kommenden Jahren eigentlich nur zwei Handlungsstrategien verbleiben, sollten sie sich keine anderen Einnahmenquellen erschliessen können, entweder die Unternehmen sparen rigoros Kosten ein, das liesse sich bei den Energiekosten nachhaltig nur durch Investitionen in energiesparende und/oder energiegenerierende Massnahmen machen bzw. bei den Personalkosten durch das Unterlaufen der Personalverordnungen, was allerdings Qualitätsminderungen und somit eine weitere Verschlechterung des Images nach sich ziehen würde, oder die Unternehmen müssten ihrerseits wachsen, um beispielsweise durch Synergieeffekte dem auch durch irrsinnige staatliche Verordnungen und Auflagen gewachsenen Kostendruck Herr zu werden. Beide Handlungsstrategien bedeuten für diese kleineren Einrichtungen zweierlei: entweder sie nehmen schlechte Pflege aus wirtschaftlichen Gründen in Kauf oder sie tätigen massive Investition und das vor dem Hintergund einer durch Bundes- und Landespolitik verunsicherten Pflegheimbranche, vielerorts gestiegenen Grunderwerbs- und Baukosten sowie einem Pflegemarkt, der bereits gesättigt ist und kaum noch freie lukrative Lücken kennt. So wird es denn in der Pflege ebenso kommen wie in vielen anderen Branchen, die kleineren Einrichtungen werden nach und nach vom Markt verschwinden, da ihr kleinteiliger Betrieb sich nicht mehr rechnet und die auf Regierungsebene durchgedrückten Lobby-Interessen der Konzerne die Betriebskosten grotesk explodieren lassen und sie tatsächlich irgendwann nur noch eine Wahl haben, die Wahl, die viele Kleine haben, nämlich von den Grossen gefressen zu werden oder unterzugehen, was freilich der eigentliche Schwerpunkt dieser Regierung ist.

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