McPflege – Teil 1

Es ist schon etwas länger als nur eine Weile her, da liess eine an und für sich belanglose Pressemeldung kurz aufhorchen. Zwei Unternehmer im Norden der Republik hatten die Idee, das Discountprinzip konsequent auch auf die Pflege zu übertragen und damit jeder gleich verstand, wie innovativ und clever sie waren, nannten sie ihr junges Unternehmen „McPflege“. Den zukünftigen Kunden versprachen sie eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause durch osteuropäische Pflegefachkräfte bei einem monatlichen Pauschalpreis von je nach Aufwand zwischen 1.500 und 1.700 Euro. Das sorgte natürlich für grosse Begeisterung bei den verantwortlichen Funktionären der Pflegeverbände und den Gewerkschaften, die flugs ihr soziales Gewissen entdeckten und den Jungunternehmern vorrechneten, dass ein durchschnittlicher Monat immerhin ca. 730 Stunden enthält und die osteuropäischen Pflegefachkräfte somit nur einen durchschnittlichen Stundenlohn von ca. 2 Euro auf der Habenseite zu verbuchen hätten, was man selbstredend im Lichte der sozialen Gerechtigkeit und der unverbrüchlichen Solidarität mit den missbrauchten osteuropäischen Kollegen nur auf das Schärfste verurteilen konnte und als moderne Sklavenarbeit brandmarken musste. Dem jungen Unternehmen war denn auch keine grosse Zukunft beschieden, bereits 10 Tage nach dem start-up stellte McPflege den Betrieb ein, was vielleicht weniger an der ehrlichen Entrüstung der Funktionäre gelegen haben mag, als vielmehr an den osteuropäischen Pflegefachkräften selbst, die sich, ihres Wertes durchaus bewusst, in den Folgejahren mehrheitlich dazu entschieden, in England, der Schweiz und den USA zu arbeiten, statt in Deutschland endlos darauf zu hoffen, dass die Behörden ihre Berufsabschlüsse anerkennen würden, damit sie zu den gleichen Bezügen wie in England, der Schweiz und den USA auch im EU-Nachbarland Deutschland ihrem Beruf hätten nachgehen können statt jetzt einfach nur beim Heimatbesuch durch ein Land hindurchzufahren oder darüberhinwegzufliegen, welches ja – wie jeder weiss – derzeit einen nicht unbeträchtlichen Mangel an Pflegefachkräften aufzuweisen hat.

Dass McPflege in Rekordzeit sein unternehmerisches Leben ausgehaucht hat, bedeutet aber nicht zwangsläufig auch das Ende des pflegerischen Discountprinzips in deutschen Landen. Dieses ist nach wie vor am Leben und erfreut sich immer besserer Gesundheit, wenn auch nicht unbedingt zu Discountpreisen. Nun ist Pflege – wie schon mehrfach an gleicher Stelle betont – ein Kind dieser Gesellschaft und somit gewissen gesellschaftlichen Zwängen unterworfen, wie etwa auch dem des Geldverdienenmüssens. Das ist nur auf den ersten Blick betrüblich, denn eigentlich ist Pflege im Gegensatz zum Investmentbanking eine durchaus nützliche Angelegenheit und sollte deshalb von Menschen ausgeübt werden, die sich ebenso wie ihre osteuropäischen Kollegen nicht nur des Wertes ihrer Arbeit bewusst sind sondern sich auch von derselben ernähren können, wie sie, die Pflege, auch in der Lage sein sollte, ihre Produktionsmittel selbst zu erwirtschaften anstatt dem schon anderweitig geplagten Steuerzahler immer mehr Millionen aus dem Kreuz zu leiern. Genau hier scheint aber ein grundlegendes Missverständnis zu bestehen, denn anders lässt es sich nicht erklären, dass Pflege in ihrer wirtschaftlichen Realität von unterschiedlichen Trägern getragen wird, die zum einen als privat-gewerbliche Träger eine Gewinnabsicht wohl kaum verneinen würden, und zum anderen als so genannte frei-gemeinnützige Träger allein der Förderung des Allgemeinwohls verpflichtet sein sollten, wofür sie auch in den Genuss von steuerlichen Vorteilen kommen. Denn wenn die privat-gewerblichen Träger, die eine Gewinnabsicht wohl kaum verneinen würden, eine vergleichbare oder bessere Pflegequalität bei besseren oder vergleichbaren Mitarbeiterbezügen anbieten würden als die so genannten frei-gemeinnützigen Träger, dann wären ja die privat-gewerblichen Träger die eigentlich gemeinnützigen Träger, da sie eine vergleichbare oder bessere Qualität zu besseren oder vergleichbaren Mitarbeiterbezügen anbieten würden, ohne die Allgemeinheit – also uns – durch die Inanspruchnahme von Fördermillionen aus allgemeinen Steuermitteln und weiteren Steuervorteilen aufgrund der steuerrechtlich anerkannten Gemeinnützigkeit zusätzlich zu schröpfen. Und da könnte es dann schon hilfreich sein, einfach hier nachzuschauen, welcher von den unterschiedlichen Trägern eine vergleichbare oder bessere Qualität anbietet – wenn, ja wenn nur das Ergebnis der Pflegetransparenzprüfung in Baden-Württemberg – wie schon mehrfach an gleicher Stelle zu lesen war – nicht ein wenig verwässert wäre, da man der Einfachheit halber gleich alle Pflegeheime als „summa cum laude“ eingestuft hat und somit zwar nichts und niemand mehr zu vergleichen ist, es sich andererseits aber auch keine Unterschiede mehr finden lassen zwischen den Einrichtungen in privat-gewerblicher oder so genannter frei-gemeinnütziger Trägerschaft und deshalb nach obiger Lesart die privat-gewerblichen Träger die eigentlich gemeinnützigen Träger sind, da sie beim Erbringen von gleicher Qualität keine Fördermillionen aus allgemeinen Steuermitteln in Anspruch genommen haben, noch irgendwelche Steuervorteile aus steuerrechtlich anerkannter Gemeinnützigkeit geniessen.

Aber auch Experten bringen da zuweilen etwas durcheinander, da sie glauben, dass das soziale Netz und damit die Pflege ohne die Millionen der Kirchensteuer zerreissen würde, was in einer ersten Analyse schon deshalb bedenklich ist, da andere so genannte frei-gemeinnützige Träger wie das DRK oder die AWO wohl zu ihrem eigenen Bedauern noch keinen Kirchenstatus besitzen und somit in unserem so genannten säkularen Staat auch noch keine eigene Steuer erheben dürfen und trotzdem zu Schwergewichten in der Pflegelandschaft aufgestiegen sind. Man kann also ganz beruhigt sein, es würde nämlich gar nichts zerreissen, wenn die Kirchen die Millionen der Kirchensteuer nicht mehr für Pflege einsetzten, da sie diese noch nie für Pflege eingesetzt haben, weil sich die Pflege aller so genannten frei-gemeinnützigen Träger eben so finanziert, wie sich die Pflege der so genannten frei-gemeinnützigen im 21. Jahrhundert eben finanziert: durch den Heimkostenanteil der Pflegeversicherung und dem Eigenanteil der Pflegebedürftigen, ergänzt durch Steuergelder aus allgemeinen Mitteln. Das mag schockierend sein für Sozialromantiker, sofern es von dieser Spezies tatsächlich noch einige Vertreter gibt, aber Pflege ist ein Geschäft geworden, im Grunde war sie das schon immer, man hat nur die ganze Zeit vergessen, das auch ehrlich zu sagen.

McPflege ist ein ziemlich langer und deshalb mehrteiliger Text, da er Grundlegendes in unserer Branche beleuchten soll und sich mittlerweile so viel Grundlegendes angesammelt hat, das noch nicht ausgiebig beleuchtet worden ist, dass dem Leser nicht zuzumuten wäre, alles schwer Verdauliche in einem Rutsch zu lesen. Die nächsten Teile erscheinen sukzessive in den nächsten Tagen, sie befassen sich u. a. mit der phantasievollen Ausgestaltung des Begriffs der „Gemeinnützigkeit“, der Verquickung von privat-gewerblichen Investoren mit so genannter gemeinnütziger Pflege, der gar heftigen Umarmung der Pflege durch so viele gute Menschen, dass ihr langsam aber sicher die Luft auszugehen droht, der zunehmenden Konzernialisierung von Pflege und der Frage, ob eine Neue Pflege in diesen Zeiten noch eine Chance haben kann oder sogar muss.

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