Air Penguin

Eigentlich könnte man sagen, das sei nichts Neues, was neulich in der Zeitung zu lesen war. Gleiches hat man der Pflegebranche und ganz besonders den kleinen Pflegeeinrichtungen, die noch inhabergeführt, kleine Familienunternehmen sind, schon vor 15 Jahren prophezeit. Man hat ihnen prophezeit, dass sie keine Chance mehr am Markt haben würden, dass jetzt nämlich die Amis kommen, die grossen Ketten, die den Markt dominieren werden, dass die Kosten gerade für die Pflegeeinrichtungen, die noch inhabergeführt und kleine Familienunternehmen sind, in den nächsten Jahren explodieren werden, dass ihnen, den kleinen Pflegeeinrichtungen, deshalb schon sehr bald die Luft ausgehen würde und dass sie darum schnellstmöglich verkaufen sollten, weil nämlich nur eins sicher sein werde in der Zukunft: nämlich ihr Untergang. Derjenige, der vor 15 Jahren die Chuzpe hatte, das der versammelten Zuhörerschaft ins Gesicht zu sagen, die fast ausschliesslich aus Inhabern von kleinen familiengeführten Pflegeeinrichtungen bestand, war eine der üblichen Unternehmensberatungsknallchargen aus einem der üblichen internationalen Unternehmensberatungsgesellschaften, die unter anderem auch Webseiten unterhalten, die kein Mensch mehr versteht und auf denen sich von Zeit zu Zeit, immer mal wieder, Studien finden wie diese, welche unlängst veröffentlicht wurde und die den kleinen, familiengeführten Pflegeeinrichtungen natürlich ihren Untergang prophezeit:

„Die Pflegebranche steht vor einer gewaltigen Konsolidierung und einer grundlegenden Neustrukturierung. Viele finanzschwache Betreiber werden verschwinden, und vor allem größere Verbünde oder PflegeheimKetten werden zunehmend das Bild prägen. Welche Vorteile sie haben, konnten wir schon bei den Krankenhäusern beobachten: eine größere Einkaufsmacht, bessere Verhandlungspositionen gegenüber den Kostenträgern, eine höhere Investitionskraft und eine größere Anziehungskraft am Personalmarkt. Außerdem haben sie größere Chancen, als Marken wahrgenommen zu werden – von den Einweisern wie von den Angehörigen, die zumeist das Heim auswählen. Einen Teil, aber eben nur einen Teil dieser Vorzüge können kleinere Betreiber erlangen, indem sie sich zu Verbünden zusammenschließen.“

Auch wenn sich reformpflege nicht erschliesst, warum ausgerechnet Pflegeheimketten eine grössere Anziehungskraft am Personalmarkt haben sollten oder man sich fragt, welche der bestehenden Pflegeheimketten es bisher geschafft haben soll, als Marke wahrgenommen zu werden, so muss man dem Fazit der Studie blutenden Herzens dennoch zustimmen, denn die Evidenz dieses Fazits basiert auf einem einzigen seiner vielen Wörter und dieses Wort ist das Wort: „finanzschwach“.

Pflege ist eine investitionsintensive Branche, die Immobilien kosten viel Geld, das Inventar kostet viel Geld und wenn man nicht zum Geldadel gehört, nicht Otto, Quandt oder Albrecht heisst, dann borgt man sich das für die Pflege notwendige Geld bei der Bank. Borgen in diesem Kontext bedeutet, dass das Geld, welches der Pflegeheimbetreiber von der Bank erhalten hat, ihm nicht gehört, es vielmehr immer noch der Bank gehört und er es bei Zeiten peu à peu an dieselbe zurückzahlen muss und zwar nebst den vereinbarten Zinsen, die überhaupt erst der Grund sind, weshalb ihm die Bank das Geld leiht. Da die Kosten für Betriebsmittel der Pflege, das sind Grund und Boden, Immobilie als auch Inventar grundsätzlich in die Millionen gehen, geht auch die jährliche Tilgung nicht selten in die Hunderttausende. Das ist insofern von Bedeutung, da die Tilgung für die kleinen Pflegeeinrichtungen, die zumeist Personengesellschaften sind, einkommenssteuerrelevant ist. Was zur Folge hat, dass neben der Tilgung auch noch die für die Tilgung anfallende Einkommenssteuer zu entrichten ist und da die Tilgung aufgrund der hohen Kosten für die Betriebsmittel der Pflege in die Hunderttausende geht, ist auch regelmässig der Spitzensteuersatz zu entrichten, denn Hunderttausende liegen nun einmal dummerweise über der Bemessungsgrenze des Spitzensteuersatzes und zwar unabhängig davon, wie viel der Pflegeeinrichtung nach Abzug der Unkosten, der Zinsen, der Tilgung und der „Tilgungssteuer“ als tatsächliches Brutto-Einkommen noch verbleibt. Das ist, auch wenn der Effekt der Tilgungssteuern durch Abschreibungen vermindert werden kann, gerade bei kleineren Pflegeeinrichtungen nicht viel, reicht selten aus, um Rücklagen zu bilden und eine befriedigende Eigenkapitalquote zu erwirtschaften. Diese Einrichtungen leben von der Hand in den Mund und sollten sich die Betriebskosten erhöhen oder sich die Belegungssituation einmal verschlechtern oder sogar beides zeitgleich geschehen, verbleibt nicht mehr viel Zeit bis zur Insolvenz.

Dass diese beiden Faktoren möglichst zeitgleich eintreten, dafür sorgt Politik, indem sie durch viele Verordnungen und Gesetze den Verwaltungsaufwand der Einrichtungen aufbläht und die eingenommenen Tilgungssteuern als Fördermillionen gleich weiter reicht an eben diese Pflegeketten und Sozialkonzerne, die damit dann neue Pflegeheime oder andere Sozialwirtschaftsimmobilien bauen oder bestehende Pflegeheime oder Sozialwirtschaftsimmobilien umbauen und bevor sie diese Immobilien dann durch steuerbefreite vermeintlich gemeinnützige Betriebsgesellschaften betreiben lassen erst einmal eine kleine Einweihungsfeier geben, zu der dann die Gemeinderäte erscheinen und der Bürgermeister und der Oberbürgermeister oder der Landrat und die Sozialministerin und manchmal sogar der Ministerpräsident oder gar die Bundeskanzlerin höchstselbst.

Tue Gutes und rede darüber.

Eigentlich könnte man jetzt sagen, dies sei nichts Neues, dergleichen hätte man schon öfters hier lesen können und natürlich stimmt das. Was hier aber noch nicht zu lesen war, wenn gleichwohl auch nichts Neues sondern eher ein Vertrautes, wen auch ein nicht mehr oder immer weniger Bemerktes, ist, dass sich das Dergleichen nicht nur auf die Branche der Pflege erstreckt, also nur pflegeimmanent wäre, nur die Protagonisten der Pflege beträfe sondern sein Dergleichen auch ausserhalb dieser kleinen Pflegewelt, in vielen anderen kleinen Welten und Branchen findet und dieses Dergleichen ist ein Konflikt, genauer ein Verteilungskampf zwischen Protagonisten auf unterschiedlichen Ebenen, der zunehmend durch die Politik nicht nur beeinflusst sondern auch gesteuert wird und dieser gesellschaftliche Konflikt, der nicht bemerkt werden soll und an den wir behutsam gewöhnt worden sind, ist der Konflikt zwischen Oben und unten, genauer gesagt, ist die Umverteilung von unten nach Oben und noch genauer gesagt, die Umverteilung von der Mitte nach Oben, denn die ganz unten haben ja nicht mehr viel ausser vielleicht ein paar Bildungsgutscheine, an denen die ganz Oben tendenziell aber eher wenig Interesse haben.

Und die Mitte sind ja immer alle und Alle sind ziemlich viele mit ganz unterschiedlichen Berufen und Einkommen. Alle sind Beamte, aber auch Millionäre, sind Krämer und Angestellte. Diese bestimmte Umverteilung aus der Mitte nach Oben betrifft aber noch nicht Alle in gleichem Masse sondern nur einen bestimmten Teil der Mitte. Es ist der Teil der Mitte durch den sich gegenwärtig das Kapital frisst als der Leviathan unserer Zeit, der ganz gewiss nicht zu fressen aufhört, wenn er diesen Teil der Mitte erst verschlungen hat, sondern immer weiter fressen wird, durch alle Klassen hindurch, bis er endlich ganz Oben angelangt ist und sich an sich selbst verschluckt. Es ist jener Teil der Mitte mit den kleinen Geschäften, Gewerben und Dienstleistungsunternehmen, der zu grossen Teilen bei der letzten Wahl ausgerechnet FDP gewählt hat und in der gegenwärtigen Finanzkrise mit seinen Spitzensteuersätzen wieder herangezogen wird, um die Folgen der mangelhaften Einführung einer Gemeinschaftswährung zu bezahlen, von der er selbst wenig profitieren konnte, da seine kleinen Unternehmen zuallererst die Binnennachfrage bedienen, von der aber die obere Mittelschicht und die Oberschicht ganz erheblich profitierten, da sie ihre Güter, Waren und Dienstleistungen nicht nur nach China sondern auch in die Eurozone und unter anderen nach Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland verkauften, Länder die nach Einführung des Euro zu bis dahin unbekannt günstigen Zinssätzen fast unbegrenzt kreditwürdig wurden, da eben der deutsche Kleinbürger für sie bürgte.

Der deutsche Kleinbürger, das Schmiermittel unserer Gesellschaft, der immer noch an die Politik, an Vater Staat glaubt, der ihn schon beschützen, ihm im Rahmen einer Sozialen Marktwirtschaft die Möglichkeiten zu seiner wirtschaftlichen Entfaltung garantieren werde, obwohl er, der deutsche Kleinbürger, spätestens jetzt des Besseren belehrt sein sollte, dass dieser im Lobbygeflecht verklebte Staat nicht sein Freund ist sondern immer der Freund der Konzerne bleibt, die die Geschäftsfelder des Kleinbürgers schon längst entlang ihrer Interessen aufgeteilt haben, so wie der Staat dessen Steuergelder dazu einsetzt, den Profit dieser Konzerne und damit der Oberschicht zu mehren.

Aber der deutsche Kleinbürger wittert die Gefahr immer nur von unten und schaut deshalb nicht nach Oben, so wettert er jetzt gegen das neue Steuerkonzept der Genossen der Bosse, die in ihrer Regierungszeit die Umverteilung von unten nach Oben derart perfektionierten, dass selbst die Bürgerlichen vor Neid erblassten, was massiv Wählerstimmen kostete, weshalb sie es jetzt wieder mit einer Umverteilung von Oben nach unten oder genauer gesagt, mit einer Umverteilung aus der Mitte nach unten versuchen, deren eigentliche Nutzniesser aber wieder die ganz Oben sind, denn mit dem Geld der Mitte soll ein Wahlsieg und ein sozialer Frieden erkauft werden, damit der zusammengeraffte Reichtum sich auch in Ruhe geniessen lässt.

Der deutsche Kleinbürger, Bürger zweiter Klasse, Diener zweier Klassen, eine „Saftschubse“ wie aus dem Comicfilm.

Wir Saftschubsen der Nation.

1 Kommentar zu „Air Penguin“

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